Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 20. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 8 - Beginners


10/10

„Beginners“ hat zu Zeiten der Kinoauswertung nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die ihm zusteht. Doch welche guten Filme bekommen schon das Publikum, das sie verdienen? Es wird die Geschichte eines Mannes erzählt, dessen Vater sich nach dem Tod der Mutter als Homosexuell outet und fortan die Nähe anderer Männer sucht, während sein Sohn keine Beziehung auf die Beine stellen kann. Kurz darauf wird bei dem Vater Krebs im vierten Stadium diagnostiziert und schließlich stirbt er.

Der Ausgangspunkt des Filmes ist die Zeit nach dem Tod des Vaters. Oliver, gespielt von Ewan McGregor, ein relativ erfolgloser Designer, lernt auf einer Party eine französische Schauspielerin kennen. Wir begleiten ihn und seinen Hund dabei, wie er nach und nach eine Beziehung zu der Frau aufbaut, während wir in Rückblenden an der letzten Lebensphase des Vaters teilnehmen. Sein Engagement in der Schwulenbewegung, seine Begeisterung für Harvey Milk, Eifersucht wegen seines viel jüngeren Freundes.

„Beginners“ erzählt nicht die spannendste Geschichte. Eine typische Mann-liebt-Frau-Konflikt-Beziehungskiste und ein schweres persönliches Schicksal, das noch nicht vollständig verarbeitet wurde. Dennoch hat man diese bekannten Elemente in einem gelungenen Drehbuch verarbeitet und einen perfekten Film gedreht.

Es ist ein Feel Good – Movie im depressiven Alltagsdreck. Es werden vorwiegend düstere Themen behandelt (Tod, Selbstmord,...), doch in jeder Szene findet der Film den richtigen Ton, ohne theatralisch in die Extreme gehen zu wollen um mit billigen Mitteln das Publikum zu manipulieren. Auf Pathos und Kitsch hat man absichtlich verzichtet. Eine Geschichte aus dem Leben, Lebensnah dargestellt.

Ein besonderes Highlight des Films und vermutlich eine der besten Szenen, die ich in den vergangenen Jahren gesehen habe, ist die erste Begegnung des Designers und der Schauspielerin auf einer Party. Er als Sigmund Freud verkleidet, sitzt in seiner Tristesse auf einer Kostümparty (zu der er von seinen Freunden gezwungen wurde) neben einer Couch und hört sich die erfundenen Probleme der anderen an. Siespricht nicht und kommuniziert über einen kleinen Schreibblock. Kamera, Schnittfolge und der richtige Einsatz von Musik machen diese Szene zu einem wahren Highlight.

McGregor’s Charakter fungiert als Erzählstimme, immer wieder nutzt er Diashows um auf eine bestimmte Zeit oder einen Umstand hinzuweisen. Einzelne Bilder oder Einstellungen unterbrechen den Filmfluss. Dadurch wird eine ganz eigene Dynamik entwickelt, die bis zum Schluss anhält.

Ob Christopher Plummer oder Melanie Laurent, Ewan McGregor oder Goran Visnjic. Schauspielerisch gibt es rein gar nichts auszusetzen, die Rollen werden von jedem Darsteller mit exakt den Emotionen gespielt, die die Figur braucht. Auch wenn der Film bisher nur ein kleines Publikum begeistern konnte, bleibt doch die Chance, dass ihn noch jeder entdecken kann.


[OSCAR PROGNOSE]

In diesem Jahr ist es wieder mal die Kategorie des „Besten Nebendarsteller“, die keine große Überraschung mit sich bringen wird. Christopher Plummer ist nominiert (übrigens die einzige Nominierung für „Beginners“) und wäre mit einem Sieg der älteste Oscarpreisträger überhaupt. Und Hollywood liebt diese Geschichten, davon einmal abgesehen, dass er mit stolzen 80 Jahren mit gleich zwei Filmen (Verblendung) im Wettbewerb vertreten ist. Ein Oscar, der auch den Film ein Stück weit unsterblich machen wird.

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