Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 29. August 2016

Ep X Ep / The Night Of / Episode 1 / The Beach

Natürlich geht es in dieser Miniserie um eine Story, wie sie permanent durch jeden drittklassigen Krimischmöker gezogen wird. Und auch die Tatsache, dass es sich um eine HBO-Produktion handelt, sollte nicht automatisch alle Zweifel verschwinden lassen. Dass aber der großartige Autor Richard Price an allen Drehbüchern beteiligt war, ja das klingt vielversprechend.
Und tatsächlich gelingt Regisseur Steven Zaillian mit der ersten Folge „The Beach“ ein beeindruckendes Stück Fernsehunterhaltung, wie man es nicht alle Tage finden kann, und das man aufgrund der stolzen Laufzeit von 80 Minuten durchaus als eigenständiges Filmwerk betrachten darf.
Es ist gar nicht möglich abzuschalten, weil jede Szene nur noch neugieriger macht, wie es weitergeht. Obwohl man weiß, dass die Hauptfigur Naz am Ende hinter Gittern landen muss, ist die Spannung kaum zu ertragen. Zaillians Bildsprache, und wie er diese äußerst glanzlose Ecke von New York szenisch einfängt, grenzt nahezu an das Genie dieses Mannes.
Da stellt man sich freiwillig die Frage: Möchte ich da überhaupt dranbleiben?
Denn: Kann die Qualität dieses ersten starken Eindrucks überhaupt gehalten oder gesteigert werden?
Und: Wenn nicht, bleibt uns dann wenigstens „The Beach“?
Ja, ich habe tatsächlich einige Momente gezögert. Aber, Hallelujah, Gott sei dank habe ich dann weitergemacht.

Mittwoch, 24. August 2016

KAUM WORTE zu „Die Vegetarierin“ von Han Kang

Dieser Roman ist harte Kost. Jeder, der selbst schon einmal in irgendeiner Art und Weise mit Menschen zu tun hatte, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, kennt sich aus mit der Macht- und Hilfslosigkeit, die man als Außenstehender verspürt. Noch anstrengender wird die Lektüre aber aus deswegen, weil die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang dem Leser in diesem Text keine Zeit zum Durchatmen lässt. Eine starke Szene reiht sich an die nächste.

Der Roman ist in drei Kapitel aufgeteilt, die alle ein und dieselbe Person im Mittelpunkt stehen haben; aber durch die Augen einer jeweils anderen Person mit einem gewissen zeitlichen Fortschritt die Ereignisse geschildert werden. Es fängt an mit einem Beziehungsdrama, geht über in einen sexuellen Künstlerroman und endet in einer wahrhaften Familientragödie.

Han Kang entwirft Bilder, die, selbst wenn man kein Gefallen an dem Buch findet, niemanden so schnell loslassen dürften. Eine Familie, die in völliger Ratlosigkeit die Option Gewalt wählt. Sich entblößt auf einer Parkbank zurückziehen, um dort den inneren Frieden zu finden. Ein Mann, der seine Frau nur deswegen ausgewählt hat, weil sie ihm so primitiv erschien, dass er sich selbst nicht mehr anstrengen müsste. Wir wissen nicht warum Die Vegetarierin zu dem Mensch wurde, der sie am Ende des Buches ist. Aber liest man zwischen den Zeilen, wird das Mitgefühl umso stärker.


Montag, 22. August 2016

KAUM WORTE zu „The Girls“ von Emma Cline

Feiern sollte man diesen Roman dafür, dass es keine weitere Charles Manson Blut und Orgien-Fantasie ist, wie man es nach ersten Besprechungen vermuten könnte. Auch wenn ich persönlich kein Problem hätte, noch eine Sicht auf den Manson-Wahnsinn zu lesen, hätte es vermutlich sowieso nicht funktioniert, da das Personal von „The Girls“ zwar sehr nah an den Originalprotagonisten aus dem Jahr 1969 angelegt wurde, es aber dennoch oberflächliche und tiefgehende Abweichungen zu damals gibt.

Das hier ist die Geschichte einer jungen Frau, einer sehr jungen Frau, Evie, die scheinbar keinen Platz in dieser Welt findet, und es sich doch so sehr wünscht, dass sie auch bereit ist, zu drastischen Mitteln zu greifen. Doch erzählt Cline in diesem Roman auch die Welt der jungen Frau im höheren Alter, die auch dann nicht wirklich einen Platz in dieser Welt gefunden hat.

Russell, der Wannabe-Manson, ist in diesem Roman vermutlich der größte Waschlappen. Sowieso werden Männer hier eher schwächlich dargestellt. Liegt vor allen Dingen daran, dass diese im Leben von Evie oft nur große Enttäuschung gebracht haben, sie sich aber scheinbar auch sexuell eher zu Frauen hingezogen fühlt und auf deren Taten und Worte einen größeren Wert legt.

Emma Cline gelingt es, den Mikrokosmos der Ranch in Worten einzufangen, gleichzeitig aber den Rest von Evies Welt nicht aus den Augen zu verlieren. Die physische und psychische Veränderung des Anwesens, der dort lebenden Menschen und der Ich-Erzählerin werden mit fortschreitender Dauer spürbar. Die Nacht der Morde wird in einer Art Minuten-Protokoll sachlich und nüchtern geschildert. Und am Ende bleibt eine einsame, zweifelnde, unsichere Frau zurück, die ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden hat; und ihn vielleicht auch nie finden wird.



Donnerstag, 18. August 2016

sechs

Es ist einer dieser Tage, da sitzt Jacob Marley vor dem Fernseher und kann sich auf nichts wirklich konzentrieren. Also greift er zur Fernbedienung und hofft auf eine glückliche Fügung des Schicksals. Irgendwo muss ja theoretisch etwas laufen, was sein Interesse bzw. seine Lustlosigkeit befriedigt.
Und dann eine vertraute Melodie, frühe Kindheitserinnerungen werden wach. Eine Aaron Spelling-Produktion, also Friede, Freude, Heiterkeit. Diese himmlische Familie. Und der überaus sympathische Vater, der gleichzeitig... Moment, da war doch was. Lieber schnell umschalten.
Perfekt. Eine Sitcom. Schnell, kurzweilig, Lache aus der Konserve. Und da... Mist! Cosby. Da wird gar nicht erst darüber nachgedacht. Direkt umschalten.
Wenigstens hier kann nichts schiefgehen. Im dritten Anlauf dann. Jugendliche, die aus ihrem Leben ein Musical machen, durch die Schulflure singen und hüpfen und sich mit ganz normalen Teenagerproblemen herumschlagen müssen. Und da der coolste Typ mit dem Irokesenschnitt... Ah Fuck!
Jacob Marley schaltet den Fernseher aus. Dann liest er lieber ein Buch.


Montag, 15. August 2016

The Boy FILMKRITIK

(2016, William Brent Bell)

Zunächst hat man Angst. Ja, tatsächlich. Schaut man sich im Jahr 2016 einen Film wie „The Boy“ an, hat man schon nach wenigen Minuten wirkliche, aufrichtige Angst. Angst, schon wieder an einen dieser massenproduzierten, langweiligen, Schema F-gestrickten möchtegernhybriden Mysteryhorrorfilm für Groß und Klein geraten zu sein.
Zumindest die ersten fünfundvierzig Minuten hält der Film diese Angst auch aufrecht. Alles schon mal dagewesen. Irgendwo schon gesehen. Jede Schreckpointe kündigt sich Minuten zuvor an. Offensichtliches steht nicht nur im Raum, es wird auch noch aus- und angesprochen und man möchte am liebsten viel Abstand von dieser ganzen Angelegenheit nehmen.
Doch dann kommt, wie aus dem Nichts, eine Szene, die man nicht unbedingt erwarten würde. Und plötzlich wendet sich das Blatt und alles wirkt irgendwie anders. Auch das erwartete Auftauchen eines bisher nur erwähnten Charakters hilft der Erzählung. Und am Ende hatte sich die Drehbuchautorin in allerletzter Sekunde gegen eine übliche unerklärliche Erklärung entschieden und für eine rationale Begründung der Geschehnisse. Dafür sollte man ihr noch einmal persönlich danken. Schließlich wird „The Boy“ dadurch zu keinem Eckpfeiler des Genres, aber immerhin zu einem unterhaltsamen Film.



Donnerstag, 11. August 2016

KAUM WORTE zu „Tony Soprano stirbt nicht“ von Antonia Baum

Antonia Baum schreibt kurz, prägnant, stilsicher und drängend. Ja, sicherlich gibt es die ganze Story im Hintergrund und die Schrottplatzfresser und natürlich spielt das hier alles eine Rolle, aber wäre dem nicht so, wäre es ebenfalls ein sehr sehr gutes Buch geworden, wenn es das Buch dann überhaupt gegeben hätte.

Es ist nicht voyeuristisch. Es ist ihre Kunst, uns viel über ihren Vater und ihre Familie zu erzählen, wir am Ende aber trotzdem das Gefühl haben, nichts über die Menschen zu wissen. Sie nicht zu kennen.

Wir sind mit Antonia Baum im Krankenhaus, auf der Autobahn, und spazieren auch durch ihre Imagination. Spätestens dann, als im letzten Teil des Buches drei Erzählungen auftauchen, die sie in ihren düsteren Momenten zusammengereimt hat, und man sich als Leser immer wieder dabei entdeckt, die fiktionalen Gestalten Baums ihren eigenen Familienmitgliedern zuzuordnen. Steckt eben wahnsinnig viel in diesem kleinen Buch.


Montag, 8. August 2016

Ep X Ep / Downton Abbey / Staffel 3 / Episode 2 / Die Welt im Wandel

Das Highlight dieser Episode ist eigentlich nur ein kleiner Moment, eine verbale Geste, die das gesamte Konzept der Serie auf einen Punkt bringt. Wegen eines internen Streits der Angestellten des Hauses, wurden, um dem Kammerdiener Thomas das Leben zu erschweren, die Hemden von Lord Grantham versteckt. Was nun diesen zwingt, für das anstehende abendliche Dinner eine Garderobe zu wählen, die seiner und des Anlasses alles andere als würdig ist. Als dann auch noch der Herd in der Küche ausfällt, scheint das Chaos perfekt. Man muss umsatteln, improvisieren. Etwas, was den älteren Granthams fern liegt. Um diesen Schock zu verdauen, bittet die Dowager of Grantham einen nahestehenden Diener um einen Drink. Doch da sie die Person nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen hat, verleitete sie der Anblick seines Gewandes zu der Annahme, dass dies seine Aufgabe sei. Stattdessen war es ihr Sohn in seiner Ausweichgarderobe.

Mittwoch, 3. August 2016

fünf

Manchmal gibt es eben doch noch Wunder. So oder so ähnlich ging es unserem Jacob Marley, als er im Nachrichtenstream einen Schnappschuss des quasi-Präsidenten Donald Trump entdeckte, wie dieser in seinem Luxusjet saß und einen Eimer Hähnchenteile von Kentucky Fried Chicken verspeiste. Und was ging ein Aufschrei durch diesen Planeten, wie es denn sein kann, dass er einen Hähnchenflügel mit Messer und Gabel isst. Die Antwort auf diese Frage liegt doch auf der Hand: Donald Trump hat Recht! Ja, die Finger (licking good!) schmerzen beim tippen dieser Zeilen, doch die Wahrheit muss ein jeder ertragen können!
Auch Jacob Marley isst sein Hähnchen ausschließlich mit Messer und Gabel. Alles was man sonst mit den Händen essen kann, wird auch mit den Händen gegessen. Aber ein Hähnchen, wie barbarisch geht es denn bitteschön noch?
Ein Fried Hähnchen ist nichts anderes als ein abgeschlachtetes Tier. Welches dann mit den Fingern auseinanderzureißen; das sollte selbst Serienmördern keine Freude bereiten. Burger, Hot Dogs, Spaghetti, meinetwegen, aber Hähnchen mit den Fingern ist widerlich.
Gut, dass ein Milliardenkonzern 30 Hühner und Hähnchen in 20 cm² Käfigen großzieht, sie mit Chemie vollpumpt und dann in eine vollautomatische Tötungsmaschine wirft ist natürlich auch auf vielen Ebenen verwerflich, doch liegt es dann an dem Hähnchenesser, mit dem richtigem Besteck eine kulinarische Obduktion in Würde und Respekt durchzuführen. Und genau da ist Trump endlich EINMAL im Recht.
Dass dieses Bild natürlich nur entstanden ist, um zu zeigen, dass Trump ein einfacher Kerl wie du und Jacob Marley ist und er mit seinen vergoldeten Löffeln auch gerne mal Junkfood zu sich nimmt, tja, interessiert dann natürlich niemanden mehr. Und die Zeitungen, die fein säuberlich neben ihm auf dem Tisch aufbereitet wurden, hat er definitv auch nicht gelesen. Dafür hat er ja Leute. Mensch, der Colonel wäre stolz.