Man kann den beiden ja viel vorwerfen, ein weiteres seelenloses Stück Filmprojekt anlässlich des Vampir – Hypes haben Tim Burton und Johnny Depp mit „Dark Shadows“ aber gewiss nicht vorgelegt. Basierend auf einer amerikanischen Seifenoper aus den 60ern, die in Deutschland weitesgehend unbekannt sein dürfte, hegten sie schon dann den Plan einer Leinwandadaption, als die Edwards und Jacobs dieser Welt noch stumme Geister im Kopf einer Hausfrau aus Hartford waren.
Um ganz genau zu sein ist „Dark Shadows“ auch als Gegenpol
dieser neuartigen „Paranormal Teenage Romance“ – Bewegung zu sehen. In dieser
Gesellschaft, Neuengland der 70er Jahre, sind Vampire nach wie vor verpönt.
Dauerbekiffte Jugendliche – hier grandios: Chloe Grace Moretz – lassen sich von
niemandem etwas sagen, außer den Stimmen ihrer Generation: Alice Cooper, Iggy
Pop,... Die Familie Collins – oder das, was noch von ihnen übrig ist – lebt in
einem riesigen Anwesen außerhalb der Stadt und bedauert den Verlust ihres
Fischereimonopols. Vorfahre und Vampir Barnabs wird aufgrund der Bauarbeiten
eines bekannten Fast Food – Restaurants nach 196 Jahren aus einem Sarg befreit
und nimmt sich der miserablen wirtschaftlichen Situation seiner Familie an.
Tim Burton komponiert in seiner 15. Spielfilmregiearbeit die
Härte eines Sweeney Todds mit der spielerischen Kreativität aus Charlies
Schokoladenfabrik. Das Prädikat „Familienfreundliche Unterhaltung“ wird
stellenweise auf eine harte Probe gestellt. Möchte man nur mal an die armen
Hippies denken... Er spielt mit der Kompromisslosigkeit des Vampir – Genres,
überzeichnet allerdings die Fakten und macht letztendlich das, wofür man seine
Filmen schätzt und liebt: Er macht aus allem einen echten Burton! Liter um
Liter Blut, die gar nicht so aussehen wie Blut. Eine von Burton bislang
unbekannte Obszönität, die sich ebenfalls von allem bekannten abhebt.
Doch die wohl stärkste Leistung dieser Arbeit ist die
Synthese aus Film und Musik. Und damit ist nicht etwa der wieder einmal
fabelhafte Score von Danny Elfman gemeint, sondern die Auswahl und Platzierung
der Songs. Eine mainstreamigen Kombination von Klassikern aus den 70ern, die
natürlich dem Zuschauer den Zugang zu dieser Epoche vereinfachen soll. Doch
Burton hat so viel mehr erreicht. Die Songs entwickeln einen ganz eigenen
Erzählrhythmus. Wie in einem perfekten Musikvideo scheint es, als hätte er die
Szenen für die Musik gedreht. Er beweist Mut, wenn sich die Familie zu langen
Gesprächen am Esstisch einfindet. Doch achtet man auf den Hintergrund, tanzt
dort Chloe Moretz zu den Klängen von T. Rex. In dieser Welt gibt es viel zu
entdecken, eine weiter Sichtung Pflicht!
Die größte Entdeckung des Films ist Bella Heathcote. Sie ist
das neue Kindermädchen im Hause Collins und gerade erst nach Neuengland
gekommen. Auch hier zeichnet sich ein typisches Stilmittel Burtons ab. Auch
wenn die Werbefigur Depp am Größten auf den Plakaten hervorragt, so ist er es,
der meist in der Handlung hinten anstehen muss. Heathcotes Charakters ist es
nämlich, der die Rahmenhandlung von „Dark Shadows“ darstellt. Durch ihre Augen
sehen wir die Stadt zum ersten Mal. Sie ist es, die alle Handlungsstränge
zusammenführt und ein dunkles Geheimnis in sich trägt. Ein bezauberndes neues
Gesicht auf der Leinwand, von dem man in naher Zukunft mehr sehen möchte.
Der Cast insgesamt lebt von seinem vielschichtigen Talent.
Ob Helena Bonham Carter, die als Psychologin Dr. Julia Hoffman den Sidekick
mimt; Eva Green, die als Hexe alles in ihrer Macht stehende unternimmt, die
Familie Collins zu zerstören; Jackie Earle Haley als trotteliger
Butlerverschnitt; aber allen voran Chloe Grace Moretz, die in ihren jungen
Jahren eine weitere perfekte Arbeit in ihr Portfolio eintragen darf.
Johnny Depp und Tim Burton gelten nicht umsonst als
Traumduo. Auch wenn Vergleichsmöglichkeiten mit dem originalen Barnabas Collins
fehlen, haucht Depp dieser toten Figur eine lebhafte und verspielte Seele ein.
Im Moment scheint es, als könnte er jede Rolle spielen. Keinen unerheblichen
Teil spielt aber auch das Drehbuch von Seth Grahame – Smith, der einen
gelungenen Einstand auf der großen Leinwand feiern darf.
9/10