Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 27. Februar 2012

DIE OSCAR NACHT 2012 – PIECE BY PIECE

Man kann sie lieben, man kann sie hassen. Doch irgendwie wartet man jedes Jahr aufs neue. Die Oscars. Und während man die letzten Minuten des genialen und völlig zurecht ausgezeichneten „No Country for Old Men“ sieht, um sich schon mal in Stimmung zu bringen, eröffnet Pro7 die Oscar – Nacht mit der wohl schlechtesten aller Möglichkeiten: Annemarie Warnkross – so etwas wie die Schwiegertochter von Howard Carpendale. Es wird ein glamouröser Abend.

Um 1:03 Uhr taucht dann das erste Mal Steven Gätjen auf, ein kleiner Lichtblick.

Noch haben sie keinen Oscar gewonnen, aber Hamburg Media School – Absolvent Max Zähle (nominierter Kurzfilm: Raju) könnte nach Florian Henckel von Donnersmarck der sympathischste deutsche Gewinner werden.

Wie schon beim Super Bowl vor einigen Wochen bei der kleinen Schwester Sat1 setzt Pro7 auch hier auf eine Nacht mit der Werbung von „meetone“, inklusive dem wohl schlimmsten Werbejingle aller Zeiten.

Steven Gätjen beginnt seine Red Carpet – Show mit George Clooney, Wim Wenders steht dahinter an. Nach den beiden Interviews ist die Leitung kurz abgebrochen, das war dann auch für Pro7 zuviel.

Der nette ältere Herr, der BBC’s Talking Movies moderiert, sendet direkt neben Gätjens Platz – wie klein die Welt doch ist.

Liegt es an mir oder war die Gätjen – Übertragung dieses Jahr extrem kurz. Ich schaue lieber ihm zu statt dieser gefakten US – Preshow von ABC.

2:30 Uhr geht es dann los...

Bis 2:46 Uhr

„Goldene Kamera“ – Legende Morgan Freeman eröffnet die Zeremonie. Prinzipiell ist sein Auftritt relativ sinnlos, man hätte den Crystal – Einspieler auch ohne große Worte starten können.

Von Billy Crystal erwarte ich dieses Jahr nicht viel. Ich habe mich wirklich auf Eddie Murphy gefreut, doch der hat aus bekannten Gründen abgesagt.

Billy Crystals Videoeinspieler ist im Vergleich zu seinen Vergangenen – zumindest diejenigen, die ich kenne – schwächer. Und auf Justin Bieber hätte man wirklich verzichten können. Sein musikalischer Einstieg – von jedem in dieser Form erwartet – war auf dem gleichen Niveau. Nett, mehr aber auch nicht.

Tom Hanks vergibt die ersten Oscars. Damit ist klar, dass er nicht den letzten überreichen wird. Da Spielberg in diesem Jahr nominiert ist, fällt er ebenfalls raus. Dann ist wieder jemand wie Harrison Ford an der Reihe.

Die ersten beiden Oscars gehen an „Hugo“. Das kommt dann doch überraschend. Bedenkt man, dass „The Artist“ nach einer viertel Stunde schon zwei Preise verloren hat.

Bis 3:00 Uhr

Es bringt so rein gar nichts, wenn man wahllos Ausschnitte aus Filmen wie Forrest Gump, Hangover, Titanic, Der Pate, Das Gesetz der Ehre, Der Exorzist, Star Wars, Twilight, E.T., Der weisse Hai, Die fabelhafte Welt der Amelie,... zusammenschneidet. Fishing for compliments. Und das nach gerade einmal 20 Minuten Show.

Dann doch. Der erste Oscar für „The Artist“. Best Achievement in Costume Design, so hätte ich auch gestimmt.

Es fällt positiv auf, dass für die Einspieler der etwas uninteressanteren Kategorien extra Statements der Schauspieler, Regisseure und Mitwirkenden aufgenommen wurden.

Billy Crystal hat schon angesprochen, dass heutzutage die meisten Filme auf dem iPhone oder auf der großen Leinwand, dem iPad, gesehen werden. Jetzt ein verstörender Einspieler, in dem Schauspieler wie Ben Stiller, Adam Sandler, Hilary Swank, etc... mit todernster Mine von ihren Lieblingserlebnissen im Kino erzählen. Man bekommt das Gefühl, als wäre der Film ein kränkelndes Wesen, das den nächsten Winter nicht überleben wird.

Bis 3:15 Uhr

Sandra Bullock ist es so unangenehm Deutsch zu sprechen, dass sie es als Chinesisch verkaufen muss. Kann man machen, muss man aber nicht.

Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als die Preise für die besten Nebendarsteller zu Beginn vergeben wurden. Ein kleines Highlight um in den Abend zu kommen. Mittlerweile muss man auch darauf warten. Glücklicherweise gewinnt dann aber auch die richtige. Oscar für Octavia Spencer und damit der erste Preis für „The Help“.

Bis 3:30 Uhr

Videomitschnitt einer „Focus Group“, die den gerade gesehenen „Der Zauberer von Oz“ kritisiert. Drittklassige Darsteller wie Eugene Levy, Jennifer Coolidge, etc.. und platte Gags. Das Publikum zeigt sich nur zögernd begeistert.

Der vierte Oscar für „Hugo“. Bahnt sich hier eine kleine Sensation an? Vermutlich nicht. Immerhin ist jetzt auch „The Girl with the Dragon Tattoo“ prämiert. So schnell hat ein Preis noch nie an Wert verloren.

Bis 3:49 Uhr

Gerade fällt mir wieder auf, wie unvorteilhaft der Trailer von „Moneyball“ geschnitten ist. Ein Film, auf den ich unter diesen Umständen überhaupt keine Lust hätte. Doch dann fällt mir ein, dass ich ihn schon gesehen habe. Und er ist wirklich toll.

Kermit der Frosch und Miss Piggy kündigen Cirque du Soleil an. Ein Auftritt, der schon im Vorfeld mir Pauken und Trompeten umworben wurde. Bis auf die gelungene artistische Umsetzung von Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“ gab es nur Dinge zu sehen, weswegen ich Cirque du Soleil eigentlich meide. Und mit Film hatte das alles auch nicht viel zu tun.

Und dann muss sich Wim Wenders gegen eine mittelmäßige Football – Doku geschlagen geben. Nicht das ich den Film gesehen hätte, aber manchmal reichen wenige Sekunden aus dem Einspieler.

„Rango“ gewinnt völlig verdient den Oscar „Bester Animationsfilm“. Der größte Dank gilt Pixar, die dieses Jahr „Cars 2“ ins Rennen geschickt haben.

Bis 4:04 Uhr

Manche Dinge werden für immer ein Rätsel bleiben. Zum Beispiel wie „Planet der Affen: Prevolution“ den Oscar für beste Special Effects verloren hat. Doch etwas positives hatte die Kategorie. Emma Stone und Ben Stiller mit dem wohl besten Presenter – Auftritt des Abends.

Letztes Jahr Kirk Douglas, dieses Jahr Christopher Plummer; Melissa Leo fühlt sich wohl zu älteren Männern hingezogen. Ein Preis für den überragenden Plummer, für einen überragenden „Beginners“.

Bis 4:21 Uhr

Billy Crystal kann die Gedanken der Schauspieler lesen. Diese Nummer habe ich erst kürzlich von Hape Kerkeling gesehen, und bei ihm wirkte alles etwas lockerer.

Der erst zweite Oscar für „The Artist“, aber ein absolut verdienter für den „Best Score“. Schließlich ist die Musik die einzige Stimme des Films. Und die Melodien sind so eindringlich, dass man sich sofort an jede einzelne Szene erinnert, sobald man die Musik hört.

Bis 4:33 Uhr

Etwas, was im amerikanischen Live - Fernsehen niemals passieren darf. Ein Versprecher. Crystal ist es aber passiert. Und er hat spontan reagiert. Gekonnt.

Jedes Jahr, wie besch**** eine Oscarverleihung auch sein mag, gibt es eine Kategorie, die meine Rettung ist. Denn in dieser Kategorie gewinnt der beste Film, der meistens chancenlos ist. Das beste Drehbuch. Sofia Coppola für Lost in Translation. Little Miss Sunshine, (...). Und dieses Jahr Alexander Payne (...) für The Descendants.

Zuerst Alexander Payne, und dann gewinnt auch noch Woody Allen für „Midnight in Paris“. Die Drehbuchkategorien sind einfach das Highlight einer jeden Zeremonie. PERFEKT! Jetzt kann kommen, was will.

Bis 4:47 Uhr

Es ist eine Schande, dass Kurzfilme nur einem kleinen Publikum vorbehalten sind. Der Bridesmaids – Cast übergab die Preise für (Animierter-/Live Action-/Dokumentar-) Kurzfilm. Und viele Ausschnitte waren vielversprechend. Doch kaum einer der 15 Filme wird für den Cineasten frei zugänglich sein. Es sei denn, einer der Regisseur wird berühmt, dreht einen großen Film und kann das Frühwerk als Bonusmaterial auf die DVD packen. Es müsste eine andere Möglichkeit geben, an solche kleinen Meisterwerke zu kommen.

Bis 4:58 Uhr

Normalerweise wird der Preis für Beste Regie unmittelbar vor dem Besten Film vergeben. Doch da dies in den meisten Fällen ein Indikator für den Hauptpreis ist, hat man diese Kategorie dieses Jahr noch vor die Hauptdarsteller gezogen. Demnach müsste „The Artist“ als bester Film aus dieser Nacht gehen. Auch wenn dahingehend die Preisverteilung wenig Sinn ergab. Die Oscars eben.

Bis 5:07 Uhr

Respekt für die im vergangenen Jahr verstorben hat man bei diesen Rückblenden oft vermisst. Bei den großen Namen wurde applaudiert, bei den unbekannten verstummte das Publikum. Dieses Jahr ist es zum ersten Mal gelungen, dass das Publikum erst zum Abschluss applaudiert. Gleichzeitig hat man für die Titelkarten einen einheitlichen Look ausgewählt. Bis auf wenige Ausnahmen hat man für ein homogenes Bild gesorgt. Steve Jobs wurde genauso lange erwähnt wie Whitney Houston oder eine unbekannte Casting – Agentin. Dazu wurde eine ruhige Version von „What a Wonderful World“ gesungen. Endlich eine Erinnerung ohne Fremdschämfaktor.

Bis 5:21 Uhr

Jean Dujardin bekommt den Oscar als Bester Hauptdarsteller für „The Artist“. Natürlich hat er den Preis verdient. Und er wird jetzt auch völlig Verdient in Hollywood durchstarten können. Dennoch hätte ich lieber George Clooney gesehen.

Bis 5:43 Uhr

Die eiserne Lady hat dank einer eisernen Hollywoodregel gewonnen. Spiele eine reale Person, und du wirst jeden gottverdammten Preis gewinnen. Warum jemandem wie Viola Davis, die eine literarische Figur zum Leben erweckt hat, auszeichnen? Nachahmungen sind viel leichter zu beurteilen. Und Meryl Streep hat es in ihrer „spontanen, unerwarteten“ Dankesrede treffend gesagt: Jeder Zuschauer hat in der Sekunde der Verkündung gedacht, Oh nein, nicht sie schon wieder. Und was denkt Sie darüber? „Whatever“.
Ich bin stolz darauf, mich einen waschechten „Whatever“ nennen zu dürfen.

Dann ist es Tom Cruise, der den Oscar für den Besten Film überreichen darf. Unverhofft kommt oft, aber nicht bei den Oscars. Nach einer teilweise einseitigen Awardseason hat wie zu erwarten „The Artist“ gewonnen. Völlig verdient, dennoch nicht der beste Film der Nominierten.

Ein kleines Resümee:

Sieht man einmal von den falschen Entscheidungen, den fragwürdigen und den vollkommen richtigen Preisen ab, war die 84. Oscarverleihung alles in allem eine positive Überraschung. Ich hätte sehr gerne Eddie Murphy gesehen. Billy Crystal war präsent, spontan, wirkte doch viel zu routiniert, musste teilweise am lautesten über seine Witze lachen. Doch ein großes Lob geht an Brian Grazer, der die Aufgabe des Produzenten sehr kurzfristig übernahm, und vielleicht gerade deswegen eine flotte und kurzweilige, durchgehend angenehme Veranstaltung inszeniert hat. Man hat auf die lästige Vorstellung jedes einzelnen Filmes aus der Kategorie „Bester Film“ verzichtet. Die einzelnen Kategorien waren ordentlich verpackt, die „Presenter“ mit ordentlichen Texte versorgt.

Eine gelungene Veranstaltung, auch wenn viel zu oft die falschen Filme gewonnen haben. Mal wieder.

Sonntag, 26. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] And (MY) Oscar goes to...

Hätte ich abgestimmt...

Bester Film

The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten (The Descendants)Jim Burke, Alexander Payne, Jim Taylor

Beste Regie

Alexander PayneThe Descendants – Familie und andere Angelegenheiten

Bester Hauptdarsteller

George ClooneyThe Descendants – Familie und andere Angelegenheiten

Beste Hauptdarstellerin 

Viola DavisThe Help

Bester Nebendarsteller

Christopher PlummerBeginners

Beste Nebendarstellerin

Jessica ChastainThe Help

Bestes Originaldrehbuch

Midnight in ParisWoody Allen

Bestes adaptiertes Drehbuch

The Descendants – Familie und andere AngelegenheitenAlexander Payne, Nat Faxon, Jim Rash

Bester Animationsfilm

RangoGore Verbinski

Bester fremdsprachiger Film 

Nader und Simin – Eine Trennung (Iran) – Regie: Asghar Farhadi

Bester animierter Kurzfilm

La LunaEnrico Casarosa

Bester Kurzfilm

The ShoreTerry George, Oorlagh George

Bestes Szenenbild

Hugo CabretDante Ferretti, Francesca Lo Schiavo

Beste Kamera 

The Tree of LifeEmmanuel Lubezki

Bestes Kostümdesign

The ArtistMark Bridges

Bester Dokumentarfilm

PinaWim Wenders, Gian-Piero Ringel

Bester Dokumentar-Kurzfilm 

Saving FaceDaniel Junge, Sharmeen Obaid-Chinoy

Bester Schnitt 

The Descendants – Familie und andere AngelegenheitenKevin Tent

Bestes Make-Up 

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 2Nick Dudman, Amanda Knight, Lisa Tomblin

Beste Filmmusik 

The ArtistLudovic Bource

Bester Filmsong 

RioSergio Mendes, Carlinhos Brown, Siedah Garrett (Real in Rio)

Bester Ton

Hugo CabretTom Fleischman, John Midgley

Bester Tonschnitt 

DriveLon Bender, Victor Ray Ennis

Beste visuelle Effekt

Planet der Affen: PrevolutionJoe Letteri, Dan Lemmon, R. Christopher White, Daniel Barrett

Samstag, 25. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] CLOONEY VS. DUJARDIN – ES KANN NUR EINEN GEBEN!

Dieses Jahr zerreist es mein Cineastenherz entzwei. Die meiner Meinung nach stärksten zwei Filme der Saison sind auch die Filme, zwischen denen es sich wohl am Ende entscheiden wird. „The Descendants“ und „The Artist“. Auch wenn vermutlich “The Artist” in den Kategorien Regie und Film abräumen wird, so ist mir die Kategorie des besten Hauptdarstellers wichtiger. So sehr ich die Darbietung von Jean Dujardin bewundere, so MUSS es doch George Clooney werden. Doch aller Vorrausicht nach wird auch der Preis in dieser Kategorie nach Frankreich gehen. Und ist man ehrlich, völlig zu Recht. Man muss sich einfach vorstellen, welcher gegenwärtige Schauspieler die Rolle von Clooney übernehmen könnte. Es gibt zwar nicht viele, doch er wäre austauschbar. Aber wer sollte die Rolle von Dujardin übernehmen und so grandios spielen? Es gäbe wohl keine lukrative Alternative, die den Film nicht vollständig ruinieren würde. So drücke ich doch alle Daumen für Clooney, rechne aber damit, dass es am Ende „Merci beaucoup“ heißen wird.

 
+ Die wohl größte Enttäuschung der gesamten Oscar – Saison ist Steven Spielberg’s „War Horse“. Wie hat es dieser Zelluloidverschwender zu sechs Nominierungen, inklusive Bester Film (??) geschafft?

+ Vermutlich hat die amerikanische Post einige Pakete mit den sogenannten „Screenern“ verschlampt. Nicht anders ist es zu erklären, dass „Drive“ gerade mal auf eine Nominierung kommt und Clint Eastwoods „J. Edgar“ überhaupt nicht bedacht wurde.

+ Es ist schade, dass die Erfolgsserie von Pixar gerissen ist, allerdings hätte man sich die Sache mit „Cars 2“ dreimal überlegen sollen.

+ Entweder haben die Studios ordentlich geplant oder es war doch reiner Zufall; in diesem Jahr war es tatsächlich möglich, beinah alle nominierten Filme vor der Vergabe der Oscars zu sehen. Zumindest die Relevanten und die neun Filme der Hauptkategorie. „The Iron Lady“ kann man sich dann immer noch in der TV – Auswertung ansehen.

+ Billy Crystal als Moderator dürfte für genau die Langeweile und Vorhersehbarkeit sorgen, die bei der oft gerügten Moderation von Anne Hathaway und James Franco im vergangenen Jahr nicht aufgekommen ist. Natürlich waren sie nicht perfekt. Doch Ecken und Kanten wird Crystal definitiv nicht zeigen!

Freitag, 24. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 17 - The Descendants


10/10

Es ist kein Urlaubsvideo, keine Werbung für einen sonnigen Urlaub im 50. Bundesstaat der USA. Alexander Payne zeichnet poetische Bilder und zerstört dabei das Bild der Idylle. Graue Wolken hängen tief über den Inseln, der Wind fegt durch die Straßen, Regen und Stürme und eine unmittelbare Tristesse, Palmenblätter peitschen gegen Fensterscheiben statt im Sonnenschein aufzublühen. Clooneys Erzählstimme spricht über diese Bilder, auch hier sind Krankheiten Krankheiten und der Krebs schmerzt ebenso wie irgendwo anders. Es sind wahre und schöne Bilder, die Payne eingefangen hat.

Der Film ist im Vergleich mit seinen anderen Werken noch am ehesten mit „About Schmidt“ zu vergleichen, einen offensiven Humor wie man ihn aus „Election“ oder teilweise in „Sideways“ kennt, gibt es hier nicht. Dennoch ist es kein Melodram voller schnulziger Momente und Vorabendserien – Klischees. Payne erzählt eine Geschichte, die so wahr ist wie das Leben selbst und findet eine stimmige Balance zwischen Ernst und Trauer ohne künstlich auf die Tränendrüse drücken zu wollen oder dem Publikum etwas vorzumachen.

George Clooney trägt den Film, genauso wie seine Figur Matt King so ziemlich jede erdenkliche Belastung auf seinen Schultern trägt. Nach einem Wasserskiunfall liegt seine Frau im Koma, er sieht sich mit seinen beiden Töchtern konfrontiert, um die er sich noch nie alleine gekümmert hat. Dann erfährt er, dass seine Frau eine Affäre mit einem stadtbekannten Makler hatte und ihn verlassen wollte. Ganz nebenbei soll er eine Unterschrift unter ein Dokument setzen, mit dem er dem Verkauf eines familieneigenen Grundstückes zustimmt; dort soll dann eine weitere Urlaubsanlage gebaut werden. Die darüber stattfindende Begeisterung lassen die Einwohner der Insel Clooney spüren. Und in all diesem Schlamassel des Matt King blüht der Schauspieler George Clooney auf. Er findet in jeder Szene den richtigen Ton. Mal nimmt er sich zurück, dann braust er auf, ohne es zu übertreiben. Er vermittelt eindrucksvoll die Entscheidungen seines Charakters, selbst in den unglaubwürdigen Momenten wirkt das Handeln nicht unrealistisch, auch wenn vermutlich nicht jeder in solch einer Situation einen klaren Kopf behalten hätte. Er trifft die richtigen Entscheidungen.

Um ihn herum besteht ein sehenswerter, teil unbekannter Cast. Seine beiden Töchter, allen voran Shailene Woodley in ihrer ersten großen Kinorolle, können auf Augenhöhe bestehen. Hinzu stoßen bekannte Namen wie Beau Bridges als Clooneys Cousin, dem viel an dem Verkauf des Grundstückes liegt und Judy Greer, die in der Rolle der Frau des Maklers überzeugt. Zu Beginn stellte die Figur des Sid, ein ehemaliger Schulfreund der ältesten Tochter, ein Störfaktor im Gefüge dar. Prinzipiell hat er rein gar nichts mit der Familie King und ihren Sorgen zu tun, begleitet sie aber dann regelmäßig auf ihren Abenteuern. Relativ schnell findet er aber seinen Platz und fungiert mehr oder weniger als Sidekick, der sich um die beiden Töchter kümmert und Clooney mehr als einmal einen wichtigen Rat erteilt.

Alexander Payne hat mit „The Descendants“ ein wahres Meisterwerk geschaffen. Er hat den Roman eines bislang relativ unbekannten Hawaiianischen Schriftstellers entdeckt und einen grandiosen Film gemacht. Es wäre wünschenswert, wenn man nicht weitere sieben Jahre auf ein neues Werk warten müsste. 


[OSCAR PROGNOSE]

Mein großer Favorit in dieser Oscarseason und der beste Film 2012 – bisher. Aber auch der ewige Zweite bei sämtlichen Preisverleihungen. Das wird sich auch bei den Oscars nicht ändern. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgreichen Abend immer weiter sinkt, so gefällt mir der Gedanke, dass der Film am Ende doch der große Abräumer werden könnte. Letztendlich würde mir aber auch ein Drehbuchoscar für Alexander Payne reichen. Wie wahrscheinlich sind weitere Preise…?

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 16 - The Artist


10/10

„The Artist“ hat die Welt wie im Flug erobert und somit einen überraschenden Achtungserfolg gelandet, von all den internationalen Filmpreisen einmal abgesehen. Der Film läuft zu einem Zeitpunkt in den Kinos, in dem vor allem die Industrie viel Wert auf hochwertige 3D – Auswertungen legt und den Zuschauer mit immer neuer, besserer Technik ins Kino locken will. Ein Film wie „The Artist“ stellt den absoluten Kontrast dar, ein Stummfilm in schwarz-weiß. Doch vielleicht sollte man die Gründe für den Erfolg nicht nur in der Sehnsucht des Zuschauers nach einfach gemachten Filmen suchen, sondern einen genauen Blick auf den Film selbst werfen.

Der ironischerweise in genauer solch einer Zeit des Umbruchs spielt. Der Stummfilm wird durch den Tonfilm abgelöst. Ein Zeitpunkt in der Filmgeschichte, der viel bedeutender war als die Einführung der neuen 3D – Technologie. Opfer dieses Wandels ist George Valentin, der hellste Stern am Himmel von „Hollywoodland“. Doch über Nacht verliert seine Fähigkeit und sein Talent an Wert. Der Zuschauer hat kein Auge mehr für die stillen Filme sondern nur noch Ohren für den Tonfilm. Valentin wehrt sich gegen diesen Trend und schlägt alle Angebote ab. Stattdessen steckt er sein gesamtes Hab und Gut in die Produktion eines eigenen Stummfilms, der ein für alle mal seine Unsterblichkeit im Geschäft beweisen soll. Doch der Film wird ein gigantischer Flop an den Kassen, George Valentin hat alles verloren, seine Frau verlässt ihn, Peppy, eine wichtige Frau in seinem Leben, ist der neue Star im Geschäft.

Man sollte Michel Hazanavicius Respekt zollen. Nicht dafür, dass er den Mut bewiesen hat, in der heutigen Moderne einen farblosen Stummfilm zu drehen. Doch dass er die Fähigkeit besitzt, sich an einen Tisch zu setzten und ein Drehbuch zu schreiben, mit dem er vor gut 100 Jahren einen Meilenstein erschaffen hätte. Besonders zu sehen in einer der letzten Szenen des Films, in der die Titelkarte „Bang“ erscheint und Hazanavicius beweist, dass es sich um keinen Glücksgriff handelt sondern dass er diese Filmepoche verstanden hat und ganz nebenbei etwas von seinem Fach versteht.

„The Artist“ ist der Beweis dafür, dass es mehr Wege gibt, eine Geschichte zu erzählen, auch ohne große Worte. Der Soundtrack ist unfassbar stark und von hoher Bedeutung, schließlich ist es das einige, was wir in 100 Minuten hören. Wenn man ihn z.B. außerhalb des Filmes hört, kann man die Musik sofort dem Film und der dazugehörigen Szenen zuordnen. In kompositorischer Hinsicht ein kleines Meisterwerk.

Manchmal muss man einfach gegen den Strom schwimmen und nur fest an die Sache glauben. Hazanavicius hat dies getan, und man sieht, was es ihm gebracht hat.


[OSCAR – PROGNOSE]

Es ist beängstigend, schaut man sich einmal an, wie viele Preise „The Artist“ in den letzten Wochen eingeheimst hat. Deswegen ist es auch unwahrscheinlich, dass der Film am Abend der Academy Awards auch nur um einen Preis zittern muss. Und auch wenn mein Cineastenherz ein klein wenig schneller für „The Descendants“ schlägt, so werde ich in den frühen Morgenstunden doch sehr zufrieden sein, wenn der Film die 10 vollgemacht hat.

Donnerstag, 23. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 15 - The Help



9/10

Es sind die frühen 60er Jahre. Leben in einer typischen amerikanischen Kleinstadt. Die Farben der Kleider, der vorbildlichen Hausfrauen, leuchten heller als jede Neonröhre es könnte, die Autos sind breiter als die Straßen und eine Coke kostet einen Nickel.

In dieser Welt brauchen die weißen Hausfrauen schwarze Hausangestellte, die sich um alles kümmern, damit die Hausfrauen zu großen Kaffeekränzchen zusammenfinden können und darüber diskutieren, wie sie das Leben der schwarzen Aushilfen noch unerträglicher machen können. Während sie Ideen entwickeln, wie spezielle Sanitäranlagen, die außerhalb des Hauses angebracht werden, kümmern sich die Aushilfen um den Haushalt und erziehen (und prägen) nebenbei auch noch die Kinder, die ohne ihre Hilfe komplett vor die Hunde gehen würden.

In dieser Welt lebt Skeeter, eine junge Frau mit journalistischen Ambitionen und einem Verstand, der den anderen weit voraus ist. Sie entdeckt diese gesellschaftlichen Missstände und möchte ein Buch schreiben. Mit viel Mühe erreicht sie die Aushilfen und kann ihnen Mut machen, ihre Geschichte zu erzählen, die sie alle in einem Buch versammelt. „The Help“ by Anonymous wird für Furore sorgen.

Mit einer Laufzeit von 140 Minuten und solch einer Thematik mag der Film auf den ersten Blick wie einer harter Brocken erscheinen, um den der ein oder andere lieber einen Umweg machen möchte. Doch die ganz große Stärke des Films ist, dass es eben keine schwere Kost ist. Es sind durchaus brisante Zeiten, zu denen „The Help“ spielt, doch es gelingt dem Film einen ganz speziellen Ton zu finden. Humorvoll und mit einem zwinkernden Auge, auch wenn dabei die ernsten Momente nicht ins lächerliche gezogen werden. Es ist eine hauchdünne Gradwanderung zwischen Lachen und Weinen. Eine federleichte Inszenierung, die sich der Verantwortung bewusst ist. Nicht zuletzt einem großartigen Cast zu verdanken, allen voran die bezaubernde Emma Stone, der in den nächsten Jahren ganz Hollywood zu Füßen liegen wird.

In einer Welt zu leben, in der die Diskriminierung wegen Hautfarbe, Geschlecht, Glauben (...) gesetzlich untersagt ist, ist ein wahrer Segen. Filme wie „The Help“ sind wichtig, daran zu erinnern, dass die Gleichberechtigung eines jeden Menschen nicht immer selbstverständlich war – und noch immer nicht überall ist. Und das dies in einem lockeren, dennoch ernsthaftem ausbalancierten Ton gelingt, ist ganz große Kunst.


[OSCAR PROGNOSE]

„The Help“ war mein erster Favorit auf die Oscars. Doch nach und nach sehe ich die Chance auf eine goldene Statur schwinden. Es würde mich freuen, wenn der Film als großer Überraschungskandidat in den Hauptkategorien abräumen würde, doch vermutlich wird es dazu nicht kommen. Allerdings müssten Preise für Viola Davis und Octavia Spencer eine sichere Sache sein. Die wievielte Dankesrede von Meryl Streep sollen wir noch ertragen?

100


Ich habe mich schon an vielen Blogs versucht. Das ging dann eine Woche, vielleicht zwei oder einen ganzen Monat gut. Doch dann wurden sie zu Grabe getragen. Als ich vor fast einem Jahr diese Seite anlegte, wusste ich, dass sie länger als ein paar Tage halten muss. Ich wollte für meine ebooks werben, mein literarisches und filmisches Schaffen kommentieren und verschiedene Kunstprojekte ausprobieren. Dass ich es mittlerweile auf 100 Beiträge gebracht habe, ist vielleicht für den Blogger per se keine große Nummer. Doch an den Klickzahlen (minus Freunde und Verwandte) sehe ich, dass ich immer wieder aufs neue, Leser erreiche. Dafür vielen Dank.

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 14 - Midnight in Paris



9/10

„Midnight in Paris“ ist der 41. Film von Woody Allen und vielmehr als das typische Großstadtszenario, wie man es gewohnt ist. Auch wenn sich in vielen seiner Filme die Art der Handlung und die Figurenkonstellationen sehr stark zu ähneln scheinen, so sind seine Filme weder langweilig noch wiederholen sie sich. Auch der Arbeitsprozess, jedes Jahr ein Film und jeweils einen in der Vor – und Nachbereitung, lassen nie den Eindruck von gehaltloser Massenware aufkommen. In jedem seiner Filme setzt er neue Akzente und erzählt eine Geschichte weiter, die er vor über 40 Jahren begonnen hat.

Mit seinem neuesten Film hat er New York, Spanien und England hinter sich gelassen und sich dem nächtlichen Paris gewidmet. Der Film ist mehr als die Erzählung einer einfachen Geschichte. Er wagt sich an das Thema Zeitreise, lässt dabei allerdings den wissenschaftlichen Aspekt außen vor und versucht gar nicht erst, eine passable Erklärung für dieses Phänomen zu finden. Stattdessen spielt er mit diesem Mythos und lässt Zeitreisen innerhalb einer Zeitreise zu.

Im Mittelpunkt steht Gil Pender, ein erfolgreicher aber unglücklicher Drehbuchautor aus Hollywood, der viel lieber Romane schreiben würde statt einen weiteren Kassenschlager. Er reist mit seiner Verlobten und deren Eltern nach Paris und entzieht sich den langweiligen Konversationen über Kunst, Musik, etc. mit Bekannten und entdeckt ein Portal ins Paris der 20er. Die Fitzgeralds, Ernest Hemingway, Luis Bunuel; es gibt niemanden, dem er nicht begegnet. Gertrude Stein liest sein Manuskript, er verliebt sich in eine Geliebte Picassos. Das perfekte Leben, gäbe es da nicht noch die Gegenwart.

Woody Allen hat mit „Midnight in Paris“ ein weiteres kleines Meisterwerk geschaffen, mit dem er auch nach vielen Jahren wieder bei der Kritik breiten Anklang fand. Mit Owen Wilson scheint er eine neue Stimme gefunden zu haben. Wilson schlüpft mit einer Leichtigkeit in die Rolle des Stadtneurotikers und erinnert in Mimik und Gestik an den frühen Allen, vermutlich beabsichtigt.

„Midnight in Paris“ ist eine Liebeserklärung an die Literatur, den Film, die Musik und an die Nacht.


[OSCAR PROGNOSE]

Einer der Außenseiter. So toll die Nominierungen auch sind, so unwahrscheinlich ist ein Preis für Woody Allen.

Mittwoch, 22. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 13 - Hugo


6/10

Kriminelle Machenschaften in New York. Eine düstere Shutter Islandesque Geschichte. Die Biografie einer legendären Rockband. Der neue Martin Scorsese Film hätte viel werden können. Heraus kam die Verfilmung eines Kinderbuches. Neuland für Scorsese.

Hugo Cabret lebt im Paris der 30er Jahre als plötzlich sein Vater stirbt. Von nun an kommt er bei seinem Onkel unter, der im Pariser Bahnhof für sämtliche Uhren zuständig ist. Als auch dieser stirbt, bleibt Hugo nichts außer die dunklen Flure und Gänge, das Innenleben des Bahnhofs zum Leben und ein Automaton seines Vaters. Ständig auf der Flucht vor dem Bahnhofspolizisten, der jedes elternlose Kind ausnahmslos ins Waisenhaus steckt, lernt er einen älteren Spielwarenhändler und dessen Patentochter kennen. Hier beginnt Hugos Abenteuer.

Der Film weist viele kreative Ideen und Einfälle vor. Zum Beispiel findet der Prolog des Films, eine Kamerafahrt durch den Bahnhof, dem Hauptschauplatz, sowie Hugos Begegnung mit dem Spielwarenhändler, beinah wortlos statt, der Score leise im Hintergrund. Es gibt tolle Kamerafahrten durch die Bahnhofsbuchhandlung, Christopher Lee als düsterer aber gutmütiger Besitzer. Doch der Funken will nicht überspringen. Scorsese hat sich bei dieser Aufgabe übernommen. In der erste Hälfte wird Dickens „David Copperfield“ erwähnt, und man spürt, dass mit einem Auge auf die Handlung großer Romane geblinzelt wurde, doch Scorsese bekommt die Story nicht in Fahrt gebracht. Es gibt tolle Momente; die Huldigungen an die Kunstform Film. Chloe Moretz, die eine weitere perfekte Leistung abliefert. Der Cameoauftritt von Martin Scorsese selbst.

Immer wieder schleichen sich Momente ein, in denen der Film den Zuschauer verlässt und ins kindische und lächerliche abdriftet. Immerhin handelt es sich um keinen reinen Kinderfilm, viele Anspielungen sind bewusst auch für den erwachsenen Zuschauer bestimmt. Dieses Ungleichgewicht, wie man es in fast keinem Scorsese Film findet, steht hier zu oft im Mittelpunkt.

Dem Film eilt ein Ruf voraus. Es würde nicht wirklich viel passieren. Dies gilt vor allem für die erste Hälfte des Films, in der man das Gefühl hat, dass tatsächlich ohne einen roten Faden gearbeitet wurde. Doch kommt es dann endlich zu der Begegnung in der Filmabteilung der Bibliothek und die Herkunft des Automaton wird geklärt, entwickelt sich doch noch ein ganz ansehnlicher Film.


[OSCAR PROGNOSE]

Mit 11 Nominierungen der absolute Spitzenreiter bei den Oscars. Und da gibt es immer nur eine Möglichkeit. Entweder überflügelt der Film alles und gewinnt seine 11 Oscars und gesellt sich zu Filmen wie dem dritten „Herr der Ringe“ oder „Titanic“, oder er verliert auf ganzer Linie und greift einen, vielleicht zwei Preise aus den Nebenkategorien ab.
So wird es kommen...

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 12 - Extrem laut und unglaublich nah


4/10

„Extrem laut und unglaublich nah“ habe ich mit gespaltenen Gefühlen gesehen. Zum einen bin ich kein großer Fan von Jonathan Safran Foer, der die Romanvorlage liefert. Zum anderen zähle ich nach wie vor Tom Hanks zu einem der größten Schauspieler. Beide Seiten gegeneinander abgewogen konnte ich mir den Film relativ objektiv ansehen.

Es ist die Geschichte eines Jungen namens Oskar, der in den Anschlägen auf die World Trade Center am 11. September 2001 seinen Vater verliert. Die Beziehung zu ihm war eine innige und intensive. Bisweilen mied Oskar seine Mutter größtenteils und war stets auf der Suche nach dem sechsten Bezirk von New York, von dem ihm sein Vater erzählte. Sie verbrachten die meiste Zeit miteinander und so warfen die Anschläge Oskar Schell aus dem Leben. Ein Jahr später findet er im Schrank seines Vaters einen Schlüssel in einem Umschlag mit der Aufschrift „Black“. Oskar weiß sofort, dass er das passende Schloss finden muss, um seinem Vater noch einmal näher zu kommen.

Stephen Daldry scheint gefallen an Literaturverfilmungen gefunden zu haben, eine ehrenwerte Eigenschaft. Nach Cunninghams „The Hours“ und Schlinks „Der Vorleser“ widmet er sich nun einem populärem Roman des New Yorker Schriftstellers Safran Foer. Der Text scheint eine dankbare Vorgabe zu sein, und man erkennt, was Daldry versucht hat. Doch die Umsetzung scheitert. Oskar ist der Mittelpunkt der Geschichte, überzeugend von Thomas Horn gespielt. Er macht sich auf die Reise und durchquert – gefühlt – jeden Quadratmeter von New York. Er entwickelt ein ausgeklügeltes System und besucht jeden Menschen mit dem Nachnamen Black. Zeitweise wird er von einem älteren Herrn, dem „Untermieter“ begleitet. Ein stummer Mann, der ein Zimmer in der Wohnung von Oskar Großmutter gemietet hat. Max von Sydow gibt sich sichtlich Mühe, doch auch ihm gelingt der große Wurf nicht.

Es sind viele verschiedene Figuren und Umstände, verschrobene Charaktere, denen Oskar begegnet. Doch alles wirkt arg gekünstelt und überinszeniert. Daldry wollte mehr aus der Story machen, als sie eigentlich ist, und hat dabei über das Ziel hinausgeschossen. Es gibt Szenen, in denen die Tragik dieses Tages und der Zeit danach noch einmal spürbar werden, doch er treibt alles auf die Spitze, weiß nicht, wann es genug ist. Stellenweise wirkt es wie eine billige Emotionsmaschine. Und die Vision eines herbstürzenden Hanks in schnellen Schnitten ist auch mehr als geschmacklos und unangebracht. Da hätte ich, vor allem von Stephen Daldry, mehr erwartet.


[OSCAR PROGNOSE]

Es bleibt mir ein Rätsel, wie es der Film überhaupt zu einer Nominierung bringen konnte. Und dann auch noch in der Hauptkategorie; „Bester Film“. In der Oscarnacht gibt es selten Gerechtigkeit, doch ich bin mir ganz sicher, dass „Extrem laut und unglaublich nah“ keinen Preis gewinnen wird.