Jochen Rathmann's Bücher

Donnerstag, 8. August 2013

[JR: At the Movies] Trance - Gefährliche Erinnerung


Trance – Gefährliche Erinnerung
9/10
2013 / Danny Boyle / mit James McAvoy, Rosario Dawson, Vincent Cassel, Danny Sapani, Matt Cross, Wahab Sheikh,...

Es hat einige Zeit gebraucht, bevor ich mich für „Trance“ begeistern konnte. Ein kurzer Blick auf die Filmografie von Danny Boyle verrät mir, dass ich fast alle seiner Filme gesehen habe und an fast allen gefallen fand. Warum ich mich solange gesträubt habe, bleibt unklar, doch es benötigt nur die ersten fünf Minuten des Films, bis alle Zweifel vergessen sind.

Simon (James McAvoy) arbeitet bei einem renommierten Auktionshaus in London und erklärt zunächst in einem kurzen Intro, auf welche Art und Weise man ein Kunstwerk an einen sicheren Ort bringt, sollte es während einer Versteigerung zu einem Überfall kommen. Natürlich kommt es nur wenige Sekunden später zu einem versuchten Kunstraub und beinah hätte das Gemälde auch im Safe verschwinden können, doch Simon bekommt stattdessen einen üblen Schlag auf den Kopf und durchleidet schmerzhafte Wochen in einem Krankenbett.
Als die Diebe sich über das Bild hermachen wollen, sehen sie, dass es aus dem Rahmen entfernt wurde. Sollte erst mal keine Probleme machen, da Simon schließlich zum Team gehört. Doch leider kann er sich nach dem Schlag auf den Kopf nicht mehr daran erinnern, wo er es versteckt hat. Unter falschen Vorwänden beauftragt man eine Hypnotiseurin (Rosario Dawson), Simon und das Bild wieder zusammenzubringen, doch die erahnt schnell, was es mit den Sitzungen wirklich auf sich hat und fordert einen Finderlohn.

Wer Danny Boyle kennt, weiß, dass sich hinter seinem Film nur mehr als ein genretypischer Heist-Thriller verstecken kann. Durch seine außergewöhnliche Bildsprache und einen fast schon hypnotisierenden Score wird man von der ersten Sekunde an in den doch komplexeren Handlungsbogen eingespannt. „Trance“ fühlt sich an, als hätte Danny Boyle seine Version von „Inception“ gedreht.

Er findet eine tolle Dynamik. Zwischenzeitlich hat man das Gefühl, in einem Musikvideo oder einer Schleife gefangen zu sein. Das Tempo wird vom ersten Moment an hochgehalten. Die Erzählung ist dicht, keine Sekunde wird mit Belanglosigkeiten verschwendet. Die Darsteller sind stark und überzeugend, selbst James McAvoy, dem ich bisher eher kritisch gegenüberstand.

Man muss aufmerksam sein. „Trance“ ist alles andere als ein einfacher Film. In fließenden Übergängen wechselt man von der Realität in die Gedanken und wieder zurück, dabei kommt es immer mal wieder zu überraschenden Wendungen. Auf jeden Fall lohnt es sich, jede Sekunde dranzubleiben.

Freitag, 2. August 2013

[JR: At the Movies] Runaway Girl (Hick)


Runaway Girl (Hick)
7/10
2011 / Derick Martini / mit Chloe Grace Moretz, Eddie Redmayne, Blake Lively, Juliette Lewis, Alec Baldwin,…

Es müssen spannende Prozesse bei den deutschen Filmverleihen sein. Wie es kommt, dass ein prominent besetzter Film erst zwei Jahre nach erscheinen den Weg in die heimischen Videotheken findet und der englische Titel, der dem Film durchaus einen gewissen Charakter und Wiedererkennungswert gibt (Wie viele Filme namens „Hick“ gibt es denn noch?), durch einen anderen englischen Titel ersetzt wird.* Doch aller Beschwerde zum Trotz sollte man dankbar sein, endlich auch in Deutschland einen genaueren Blick auf „Hick“, pardon, „Runaway Girl“ werfen zu dürfen.

Erzählt wird die Geschichte der 13-jährigen Luli McMullen. Sie lebt genau die Kindheit, die man noch nicht einmal seinen schlimmsten Feinden wünschen würde. Die Eltern scheinen nur selten außerhalb der Bar stattzufinden, ansonsten schlagen sie sich mit den üblichen Problemen der Unterschicht herum. Luli ist anders. Sie sucht einen Ausweg. In ihrer Freizeit zeichnet sie und verarbeitet so die Tragödien ihres noch jungen Lebens. Als sie im Fernsehen einen Las Vegas-Werbespot sieht, kennt sie ihr Ziel. In die Tasche packt sie den gerade erst zum Geburtstag bekommenen Revolver und begibt sich auf die Reise. Was folgt ist ein Roadmovie der ganz anderen Sorte.

Zwischenzeitlich scheint sie ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Es geht irgendwann nicht mehr nur um die Glitzerstadt. Sie versucht sich in der  Welt zu beweisen und trifft dort natürlich auf mehr als nur eine skurrile Gestalt. Sehr früh begegnet sie dem zwielichtigen Jungen Eddie, der von nun an ein stetiger Begleiter wird.

Bei „Hick“ handelt es sich um alles andere als Wohlfühlkino. Derick Martini gibt sich alle Mühe, diese Welt von ihrer hässlichen und fragwürdigen Seite zu zeigen. Bis auf die junge Luli fällt es schwer, für irgendeine Figur Sympathien zu empfinden. Es ist gewollt, dass wir uns auf das junge Mädchen konzentrieren. Dabei erzählt sie aus dem off oder durchbricht die vierte Wand. Martini inszeniert frisch, unerwartet und originell. Die Stärke liegt auch in der handverlesenen Songauswahl des Soundtracks; viel Bob Dylan, Folk- und Countrymusik.

Enttäuscht könnten sicherlich diejenigen sein, die eine ständige Anwesenheit der Schauspieler erwarten. Wie es eben zu einem Roadmovie gehört, tauchen viele Figuren immer nur für kurze Zeit auf. So sehen wir Juliette Lewis nach den ersten fünfzehn Minuten überhaupt nicht mehr und begegnen Alec Baldwin erst kurz vor Schluss.

Doch im Endeffekt kommt es nur auf Chloe Grace Moretz an. Wie in jedem Film zeigt sie auch hier ein weiteres Mal ihr schier unglaubliches Schauspieltalent. Auch wenn es immer etwas riskant ist, den weiteren Karriereweg einer gerade einmal 16-järhigen Schauspielerin zu prognostizieren, erahnt bei ihr schon früh, wo sie in zehn oder zwanzig Jahren stehen wird. „Hick“ ist ein wichtiger und bedeutender Schritt auf diesem Weg. Dafür lohnt es sich, dass der Film jetzt auch in Deutschland erscheint – meinetwegen auch als „Runaway Girl“.

 "Runaway Girl" ist seit dem 01.08.2013 als DVD und Blu-Ray im Handel und im Verleih erhältlich.

*Auch hier gilt wieder die goldene Regel: Unbedingt in der englischen Sprachfassung ansehen. Fantastische Dialekte, die die schauspielerische Leistung bereichern.