Jochen Rathmann's Bücher

Dienstag, 29. November 2011

Zu schnell vorbei - Clueso in Saarbrücken



Es ist acht Uhr, in einer Menschenmasse stürzt man förmlich in die schon volle Halle, während Max Prosa und seine Band auf die Bühne stürzen, ein Support aus dem Hause „Zughafen“. Quasi ein Jünger Cluesos.
Während man sich in der vollen Location zurechtfindet und immer noch darüber verwundert ist, wie all die Leute vor der Tür noch hinter der Tür einen Platz finden wollen, und warum die Schlange noch so lange ist - wurde gerade erst geöffnet? – zieht die Musik einen an die Bühne. (Später dann von einem Bekannten erfahren, dass seit über eineinhalb Stunden schon eingelassen wurde).
Der Support Max Prosa ist rein optisch eine „wilde“ Mischung aus dem Schauspieler Matthias Schweighöfer und dem Musiker Tim Bendzko, und stärker als die meisten Vorgruppen, die man vorgesetzt bekommt. Er spielt knapp eine halbe Stunde, während sich die Halle füllt, und verweist mehrmals auf die Tour im kommenden Frühjahr. Für einen Frischling ist die Musik erstaunlich stark, nicht zuletzt die Nummer „Am 23. Juli“, bei der er aus einem großen Textbuch einen majestätisch anklingenden Text rezitiert und von schweren Basstönen unterstützt wird. Er bedankt sich beim Publikum, dreht sich um und verlässt die Bühne.

Eine viertel Stunde später ist dann Clueso+Band an der Reihe. Als er im Jahre 2008 in der viel kleineren „Garage“ auftrat (Auch hier sollte dieses Konzert stattfinden, doch wegen zu großer Nachfrage wurde es in eine weitaus größere Location verlegt, während am gleichen Abend die Gruppe Juli ihre Schwierigkeiten hatte, die „Garage“ voll zu bekommen), betrat er irgendwann die Bühne und spielte eine akustische Version von „Barfuss“. Doch schon früh konnte man erkennen, dass er in den vergangenen Jahren hart an seiner Musik und seinem Auftreten gearbeitet hat, er ist ein Stück weit erwachsener geworden. Die Band betritt die Bühne und spielt ein stimmungsvolles Intro.
Nachdem Clueso ans Mikrofon trat gab es dann zur Eröffnung eine Version von „Kein Zentimeter“ (der größte Hit nach „Chicago“), die man so wohl noch nie gehört hat. Es sollte nicht die einzige Nummer sein, die an diesem Abend in neuem Gewand erschien. Vielmehr ist es ein Indiz für die Qualität des Künstlers, dass er sich nicht permanent bei jedem Konzert auf jeder Tour wiederholt. Er bleibt lebendig, und so auch seine Songs.
Der Auftritt ist stark, ausgewogen, er spielt Songs vom neuen Album genauso wie aus der Zeit, als er noch dachte, die deutsche Rapgeschichte revolutionieren zu können. Er steht zu seiner Person und seiner Arbeit, erinnert immer mal wieder an die Zeiten seiner Hip Hop – Phase, auch wenn er mittlerweile zum besten Singer/Songwriter des Landes herangewachsen ist.
Während „Zu schnell vorbei“, der ersten Singleauskopplung aus dem aktuellen Album „An und für sich“, zog sich ein beinahe unsichtbarer Vorhang vor die Bühne. Kurz darauf war auf der gesamten Fläche der Wand ein Videoclip zu sehen, wie Clueso durch einen dicht bewachsenen Wald läuft. Ausschnitte aus dem gleichnamigen Musikvideo. Die Größe der Leinwand, die saubere Bildqualität, die perfekte Balance aus Lichteffekten, rein visuell war dieses Konzert in diesem Rahmen nicht mehr steigerungsfähig. Die übergroße Leinwand wurde für die nächsten vier Lieder sinnvoll eingesetzt. Ein Highlight gab es während dem letzten Lied. Eine Kamerafrau hatte den gesamten Abend über das Konzert gefilmt – später sah man das Bild im Bühnenhintergrund. Über die riesige Leinwand war Clueso zu sehen, der sich kurz entschlossen der Linse zuwendete und plötzlich übermenschlich groß auf das Publikum schaute. Ein surreales Erlebnis mit maximaler Wirkung.
Nach der Hälfte des Konzertes sprang er einen kurzen Moment aus der Setlist, dem üblichen Ablauf, heraus. Er sprach davon, dass die folgende Nummer auch für sie etwas Neues wäre. Eine Sache, die sie so noch nie gemacht hätten. Ein Gast wartet hinter der Bühne, ein Mann der so alt ist, dass er sein Vater sein könnte. Er kündigte ihn an, und Wolfgang Niedecken betrat die Bühne. Der Frontmann der Gruppe „BAP“ war mal wieder in Saarbrücken – wo er eigentlich alle drei Wochen ist – und spielte zusammen mit Clueso „Für immer jung“, eine deutsche Version des Bob Dylan Klassikers „Forever Young“. Ein wirklich einmaliges Erlebnis, welches das Publikum dankend annahm.

Nach über zwei Stunden und einem üppigen Zugabenblock wurde das Konzert in altbewährter Manier beendet. Wie schon vor drei Jahren nahmen sich Sänger und Band in die Arme, verbeugten sich vor dem Publikum, wünschten einen guten  Heimweg und gingen. Der Vorhang wurde vor die Bühne geschlossen und alle strömten Richtung Ausgang. Schließlich war das Konzert vorbei, denkste! Kurz vor dem Ausgang, die kalte frische Luft war schon zu spüren, hörte man hinter seinem Rücken hysterisches Aufkreischen. Dann hörte man Clueso, der irgendwie verwundert darüber war, dass der Vorhang schon geschlossen sei, er wollte noch etwas spielen. Die Masse drehte um und stürmte zurück vor die Bühne. Clueso hatte Verständnis für diejenigen, die lieber gehen möchten um einen „Ministau“ zu vermeiden. Der Sarkasmus war glücklicherweise nicht zu überhören. Er schnallte sich die Akustikgitarre um, hatte seinen Bassisten dabei und spielte weitere drei Nummern. Bei der letzten fragte er, wo seine Band sei. Sie kamen frisch geduscht und in neuer Kleidung zurück an ihre Instrumente- auch sie dachten vermutlich, dass es schon vorbei sei – und beendeten gemeinsam ein beeindruckendes Konzert.
In vermutlich drei Jahren und einem weiteren Studioalbum dürfte Clueso bereit sein, die ganz großen Hallen des Landes zu füllen. Sein Aufstieg in der Szene ist bemerkenswert. Ob Niedecken oder Udo Lindenberg und sein Unplugged – Konzert, er hat den Rückhalt aus der Branche, der ihm zusteht. Ein großer Künstler mit viel Talent, auch das dritte Mal in Saarbrücken wird ganz bestimmt ein Spektakel.

Clueso am 17.10.2011 im E – Werk Saarbrücken