Jochen Rathmann's Bücher

Mittwoch, 22. Februar 2012

[OSCAR COUNTDOWN 2012] Teil 12 - Extrem laut und unglaublich nah


4/10

„Extrem laut und unglaublich nah“ habe ich mit gespaltenen Gefühlen gesehen. Zum einen bin ich kein großer Fan von Jonathan Safran Foer, der die Romanvorlage liefert. Zum anderen zähle ich nach wie vor Tom Hanks zu einem der größten Schauspieler. Beide Seiten gegeneinander abgewogen konnte ich mir den Film relativ objektiv ansehen.

Es ist die Geschichte eines Jungen namens Oskar, der in den Anschlägen auf die World Trade Center am 11. September 2001 seinen Vater verliert. Die Beziehung zu ihm war eine innige und intensive. Bisweilen mied Oskar seine Mutter größtenteils und war stets auf der Suche nach dem sechsten Bezirk von New York, von dem ihm sein Vater erzählte. Sie verbrachten die meiste Zeit miteinander und so warfen die Anschläge Oskar Schell aus dem Leben. Ein Jahr später findet er im Schrank seines Vaters einen Schlüssel in einem Umschlag mit der Aufschrift „Black“. Oskar weiß sofort, dass er das passende Schloss finden muss, um seinem Vater noch einmal näher zu kommen.

Stephen Daldry scheint gefallen an Literaturverfilmungen gefunden zu haben, eine ehrenwerte Eigenschaft. Nach Cunninghams „The Hours“ und Schlinks „Der Vorleser“ widmet er sich nun einem populärem Roman des New Yorker Schriftstellers Safran Foer. Der Text scheint eine dankbare Vorgabe zu sein, und man erkennt, was Daldry versucht hat. Doch die Umsetzung scheitert. Oskar ist der Mittelpunkt der Geschichte, überzeugend von Thomas Horn gespielt. Er macht sich auf die Reise und durchquert – gefühlt – jeden Quadratmeter von New York. Er entwickelt ein ausgeklügeltes System und besucht jeden Menschen mit dem Nachnamen Black. Zeitweise wird er von einem älteren Herrn, dem „Untermieter“ begleitet. Ein stummer Mann, der ein Zimmer in der Wohnung von Oskar Großmutter gemietet hat. Max von Sydow gibt sich sichtlich Mühe, doch auch ihm gelingt der große Wurf nicht.

Es sind viele verschiedene Figuren und Umstände, verschrobene Charaktere, denen Oskar begegnet. Doch alles wirkt arg gekünstelt und überinszeniert. Daldry wollte mehr aus der Story machen, als sie eigentlich ist, und hat dabei über das Ziel hinausgeschossen. Es gibt Szenen, in denen die Tragik dieses Tages und der Zeit danach noch einmal spürbar werden, doch er treibt alles auf die Spitze, weiß nicht, wann es genug ist. Stellenweise wirkt es wie eine billige Emotionsmaschine. Und die Vision eines herbstürzenden Hanks in schnellen Schnitten ist auch mehr als geschmacklos und unangebracht. Da hätte ich, vor allem von Stephen Daldry, mehr erwartet.


[OSCAR PROGNOSE]

Es bleibt mir ein Rätsel, wie es der Film überhaupt zu einer Nominierung bringen konnte. Und dann auch noch in der Hauptkategorie; „Bester Film“. In der Oscarnacht gibt es selten Gerechtigkeit, doch ich bin mir ganz sicher, dass „Extrem laut und unglaublich nah“ keinen Preis gewinnen wird.

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