Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 22. August 2016

KAUM WORTE zu „The Girls“ von Emma Cline

Feiern sollte man diesen Roman dafür, dass es keine weitere Charles Manson Blut und Orgien-Fantasie ist, wie man es nach ersten Besprechungen vermuten könnte. Auch wenn ich persönlich kein Problem hätte, noch eine Sicht auf den Manson-Wahnsinn zu lesen, hätte es vermutlich sowieso nicht funktioniert, da das Personal von „The Girls“ zwar sehr nah an den Originalprotagonisten aus dem Jahr 1969 angelegt wurde, es aber dennoch oberflächliche und tiefgehende Abweichungen zu damals gibt.

Das hier ist die Geschichte einer jungen Frau, einer sehr jungen Frau, Evie, die scheinbar keinen Platz in dieser Welt findet, und es sich doch so sehr wünscht, dass sie auch bereit ist, zu drastischen Mitteln zu greifen. Doch erzählt Cline in diesem Roman auch die Welt der jungen Frau im höheren Alter, die auch dann nicht wirklich einen Platz in dieser Welt gefunden hat.

Russell, der Wannabe-Manson, ist in diesem Roman vermutlich der größte Waschlappen. Sowieso werden Männer hier eher schwächlich dargestellt. Liegt vor allen Dingen daran, dass diese im Leben von Evie oft nur große Enttäuschung gebracht haben, sie sich aber scheinbar auch sexuell eher zu Frauen hingezogen fühlt und auf deren Taten und Worte einen größeren Wert legt.

Emma Cline gelingt es, den Mikrokosmos der Ranch in Worten einzufangen, gleichzeitig aber den Rest von Evies Welt nicht aus den Augen zu verlieren. Die physische und psychische Veränderung des Anwesens, der dort lebenden Menschen und der Ich-Erzählerin werden mit fortschreitender Dauer spürbar. Die Nacht der Morde wird in einer Art Minuten-Protokoll sachlich und nüchtern geschildert. Und am Ende bleibt eine einsame, zweifelnde, unsichere Frau zurück, die ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden hat; und ihn vielleicht auch nie finden wird.



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