Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 16. Januar 2012

Die Golden Globe Awards 2012 - Anatomie einer Nacht

Vorab:

Die Award – Season neigt sich dem Ende und läuft auf das große Finale im Februar mit den Oscars zu, bevor sie dann gefühlt im März von vorne beginnt. Und auch wenn die Golden Globes über die Jahre an Qualität der Nominierungen zu wünschen übrig ließ, so ist es eine – relativ – kurze Angelegenheit in entspannter Umgebung. Es ist einfach unterhaltsamer den Stars und Sternchen beim Trinken an großen runden Tischen zuzusehen, statt sie Reihe an Reihe gepresst für mehrere Stunden zu beobachten, während selbst die Clooneys und Pitts mit Müdigkeit und Langeweile zu kämpfen haben.
Ein Manko dieser Saison ist vielleicht der fehlende eindeutige Favorit. Auch wenn es in den vergangenen Jahren oft lästig war, so gut wie jeden Preisträger im Vorfeld zu wissen, so fehlt es dieses Mal an einer Konstanten.
Bei den diesjährigen Globes drücke ich Daumen für „Midnight in Paris“ und „The Help“. In den Fernsehkategorien müssten „New Girl“ und „American Horror Story“ eine sichere Bank sein, dann noch einen für Duchovny und der Morgen ist gerettet. Doch wie ich mein Glück bei diesen Veranstaltungen einschätze, setzt spätestens um kurz vor vier der erste Frust ein.

Die Show:

Anders als bei den Oscars zeigt Pro7 ausschließlich die Verleihungszeremonie und verzichtet auf die Vorberichterstattung in eigener Sache und dem ausstrahlenden US – Sender. Stattdessen gibt es diesen leicht surrealen Moment, wenn der viertklassige Horrorfilme – in diesem Jahr „Panic House“ – endet und man das US – Fernsehsignal anzapft. Genauso abrupt endet die Übertragung dann und wir befinden und wieder im Sumpf der Wiederholung drittklassiger Sendungen.

Bis 02:15

Moderator Ricky Gervais war sichtlich entspannter bei seiner Eröffnungsrede als das Publikum. Auch wenn er  - Gott sei dank – mal wieder über das Ziel hinausgeschossen hat, war doch jede Pointe treffsicher. Das Publikum verzog ernst die Mienen, sogar Comedykollegen wie Tina Fey waren wenig begeistert, obwohl es nur Jodie Fosters „Bieber“ war, der ordentlich eins drauf bekam. Ansonsten verschonte Gervais größtenteils das Publikum. Zunächst waren seine Ziele die Kardashians, der ausstrahlende Sender NBC sowie die Hollywood Foreign Press.

Johnny Depp betrat die Bühne und wurde prompt von Gervais gefragt, ob er denn nun „The Tourist“ gesehen hat, was Depp natürlich verneinte. Es ist nämlich keine große Überraschung, dass Johnny Depp seine eigenen Filme nie ansieht, daher ging die Pointe etwas unter. Er stellte den nominierten Film „Hugo“ vor, den er und seine Firma produzierten.

Zooey Deschanel ging der Globe durch die Lappen. Nicht wirklich verwunderlich, schließlich gewinnen in der Serien – Kategorie immer die neuen Serien der Season. Und natürlich die Serie, die im Pay – TV ausgestrahlt wird. Somit stand eigentlich schon vorab fest, dass es Enlightened sein musste.

Bis 02:28

Bei der Bekanntgabe der Miss Golden Globe kam es tatsächlich zu einer Verzögerung, da Julianne Moore und Rob Lowe die nötigen Informationen fehlten. Eine Hand aus dem unteren Bildrand reichte ihnen einen Zettel. Im glattgebügelten amerikanischen Fernsehen zählt so eine Aktion als nächster „Nipple-Gate“.

Downtown Abbey gewinnt den ersten Globe, und vermutlich auch die folgenden. Wer die Emmys gesehen hat, dürfte dies nicht wundern. Auch wenn erste Stimmen berichten, dass die Serie einen gigantischen Einbruch in der zweiten Staffel erleidet. Also freuen wir uns heute Nacht noch einmal mit ihnen.

Kate Winslet gewinnt und somit auch mein erster Tipp der Nacht. Freida Pinto stellt „Midnight in Paris“ vor. Da man sich offensichtlich des Casts aus Allens letztem Film „Ich sehe den Mann deiner Träume“ bediente, hätte ich lieber Josh Brolin auf der Bühne gesehen, der kurz im Bild zu sehen war. Sowieso scheint es, als wäre bei den Globes 2012 jeder anwesend, der auch nur irgendeinen Rang und Namen hat. Eine positive Überraschung.

Bis 02:41

Entweder ist Jeremy Irons in einen großen Topf Botox gefallen oder leidet an der Benjamin Button – Krankheit. Er wirkt viel jünger als ich in aus den 80er Filmen in Erinnerung habe.

Ein breites Grinsen zieht sich durch mein Gesicht, während sich Kelsey Grammer den Weg auf die Bühne bahnt. Hier bestätigt sich wieder die Regeln, dass die Serien gewinnen, die gerade erst in der ersten Staffel liefen – nur traf es dieses Mal die richtige.

Das breite Grinsen fällt in sich zusammen, nachdem „American Horror Story“ für „Homeland“ weichen musste. Wie so oft macht vieles einfach keinen Sinn. Auch für David Benioff und sein „Game of Thrones“ hat es – nach den Emmys – dieses Mal wieder nicht geklappt.

Bis 02:52

Jimmy Fallon ist als „Presenter“ immer eine sichere Bank und wird nächstes Jahr – sollte NBC dann die Globes austragen – definitiv der Nachfolger von Gervais als Moderator sein, der ja bekanntlich dieses Jahr zum „wirklich“ letzten Mal als Gastgeber fungiert.

Ich habe weder Madonnas „W.E.“ gesehen, noch den Soundtrack gehört, doch die wenigen Sekunden, die man von dem Gewinnerlied hört, während Madonna auf die Bühne geht, lassen diese Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen. Sollte sie wirklich an einem neuen Album arbeiten, muss sie etwas mehr bieten, wenn sie die musikalische Überhand nicht vollständig an Lady Gaga verlieren will.

Um 2:52 Uhr entscheidet sich Pro7 spontan, die laufende Übertragung zu unterbrechen und schaltet in die Werbung. Die Scorpions singen „Children of the Revolution“.
ICH LIEBE ES DEM DEUTSCHEN FERNSEHEN AUSGELIEFERT ZU SEIN!

Bis 03:03

Downtown Abbey verliert den zweiten Preis, dafür gewinnt der grandiose Idris Elba für „Luther“ in einer Kategorie, die für den deutschen Fernsehzuschauer eher uninteressant ist. Hier bekommt man amerikanische Fernsehfilme und Mehrteile beinah nie zu sehen. Wir haben unsere Sat1 FilmFilm(e) und die Eventzweiteiler übers Dritte Reich mit Heiner Lauterbach und Veronica Ferres. In your Face,  Hollywood!

Bis 03:16

Immerhin kann Peter Dinklage einen Globe davontragen und lässt “Game of Thrones” nicht mit heruntergelassenen Hosen dastehen.

Nachdem Brad Pitt brav Clooneys „Ides of March“ angekündigt hat, hat nun Clooney Pitts „Moneyball“ angesagt. Und auch wenn ich bisher nur von dem Baseballdrama gehört habe, sind die gezeigten Ausschnitte noch langweiliger als ich es mir sowieso schon vorgestellt habe. Sportfilme sind einfach nicht mein Thema.

Ob sich Pixar mit Cars 2 einen Gefallen getan hat? Zumindest ist es jetzt amtlich, dass die Awardsträhne vollends abgerissen ist. Jetzt steht immerhin Spielberg für „Tintin“ auf der Bühne und „Rango“ ging leer aus. Vielleicht klappt es bei den Oscars.

Bis 03:26

50/50 macht einen richtig guten Eindruck. Erstaunlich, dass es noch keinen deutschen Kinostart gibt.

Immerhin gewinnt Jessica Lange und beschert „American Horror Story“ einen Globe. Auch wenn es immer noch Rätselhaft ist, dass die Serie nicht in der Hauptkategorie gewonnen hat. So viel stärker kann „Homeland“ nun wirklich nicht sein.

Fazit zur Halbzeit:
5 aus 14 meiner Favoriten haben bisher gewonnen. Im Publikum sitzen Clooney, Pitt und DiCaprio und trotzdem kommt Ricky Gervais nicht richtig in Fahrt. Entweder gab es doch eine senderinterne Zensur oder die negative Presse des vergangenen Jahres nagt noch immer an ihm.


Bis 03:37

Etwas bizarr wirkt es schon, wenn in der Kategorie des ausländischen Films ein Beitrag aus dem kleinen Ländchen „USA“ vorgestellt wird. Vermutlich erahnte man, dass es Jolie’s Erstling sonst in keine Kategorie geschafft hätte.

Da hat es die Danes doch tatsächlich geschafft, ein Jahr nach Temple Grandin schon wieder auf der Bühne zu stehen und den nächsten Globe abzuholen. Und wieder gewinnt „Homeland“.

Bis 03:50

Matt Le Blanc gewinnt für die Darstellung des Matt Le Blanc. In der gleichen Kategorie verliert Big Bang’s Johnny Galecki. Die Frage nach dem fehlenden Jim Parsons (der in den letzten zwei Jahren 2 Emmys und 1 Globe gewonnen hat) muss man bei dieser Foreign Press nun wirklich nicht mehr stellen.

Auch wenn ich lieber Jessica Chastain als Gewinnerin gesehen hätte, freut es mich trotzdem, dass „The Help“ mit Octavia Spencer den ersten Globe des Abends gewonnen hat. Der Weg für die Oscars müsste so gut wie frei sein.

Bis 04:06

Auch wenn hauptsächlich mal wieder die falschen Filme und Serien gewinnen, so lässt die diesjährige Gästeliste keine Wünsche offen. Ein sichtlich vom Alter gezeichneter Sidney Poitier hält die Laudatio auf den diesjährigen Cecil B. DeMille – Preisträger Morgan Freeman.

Bis 04:19

Robert Downey Jr. stellt “The Artist” vor. Noch kurz vor den Globes habe ich mir die erste Sendung aspekte mit Katty Salié angesehen, wo ich die ersten bewegten Bilder aus dem modernen Stummfilm gesehen habe. Und auch die Szenen während der Preisverleihung lassen ganz großes vermuten, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie der Film funktionieren soll. Am Startwochenende werde ich mich wohl selbst davon überzeugen müssen.

Scorsese gewinnt mit „Hugo“ die Regie. Da man bei den Oscars spätestens jetzt wüsste, dass der Film auch den Hauptpreis gewinnt, beweisen die Globes ein weiteres Mal, dass sie keine Bedeutung haben.

Mittlerweile ist Gervais vom Bier zum Wein übergegangen. Nicht nur seine Witze werden immer überschaubarer, auch die Gegenreaktionen der Laudatoren hält sich im Rahmen. Es fehlt eindeutig an Biss. Schade.

Es ist nicht zu fassen. Jetzt räumen „Modern Family“ auch noch bei den Globes ab. Es ist beinah unverschämt, wenn die Serie alle bestiehlt. Vielleicht gewinnen sie diese Preise auch vollkommen zurecht. In Deutschland scheint man sich für die wirklich erfolgreichen Serien nicht zu interessieren.

Bis 04:27

Jean Dujardin hat für „The Artist“ den Preis als bester Hauptdarsteller (Comedy) gewonnen. Vermutlich dürfte das auch für die Oscars reichen. Zumindest hat er mit der Dankesrede viel Humor bewiesen. Und seine Frau hat mit ihrem Handy alles mitgefilmt. Glücklicherweise, denn wo sie diesen Moment noch einmal in hochauflösender Bildqualität herbekommen möchte, kann ich nicht sagen.

Bis 04:43

Meryl Streep gewinnt (mal wieder) und ist genauso schockiert wie jeder anwesende. Allerdings schafft sie es, sich wenig später zu freuen und stottert sich durch eine unsägliche Dankesrede. Doch kaum beginnt die Musik, beschwert sie sich. Äußerst merkwürdig.

„The Artist“ gewinnt als bester Film (Comedy). Mittlerweile könnte man den Abend auch in „An Evening with Harvey Weinstein“ umbenennen; oder „The Punisher 3“.

Bis 04:50

George Clooney gewinnt für “The Descendants”. Nach diesem Abend ist es der Alexander Payne Film, auf den ich mich am meisten freue.

Bis 04:59

Und dann gewinnt auch noch „The Descendants“ in der Kategorie Film (Drama). Für mich eine wirklich große Überraschung, auch wenn der Film bei den Oscars vermutlich nicht viel zu melden haben wird. Vielleicht schafft es dann „The Help“ in die erste Reihe.

Abschließend:

Dieses Mal kam der größte Witz nicht von Gervais sondern von Seiten der Foreign Press: New Girl ging leer aus. Das sind die Momente, in denen man lernt, dass es die wahren Meister sind, die hier entscheiden dürfen.
Ansonsten war es das große Hin und Her, wie man es eben von dieser Art von Sendung kennt. Viele meiner Favoriten und Lieblinge (Woody Allen, The Help, American Horror Story) mussten nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Zu oft haben die Falschen gewonnen.
Der Gastgeber Ricky Gervais verabschiedet sich nach dreijähriger Moderation mit einer schwachen Leistung von den Globes. Vielleicht war es aber auch die Absicht, dass sich ein Jahr nachdem Gervais über Hollywood herzog, Hollywood sich jetzt an ihm rächen durfte. Wie auch immer sie es sich vorgestellt hatten, die Nummer ging nach hinten los.

Unspektakulär, eine solide und kurzweilige Veranstaltung.

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