Jochen Rathmann's Bücher

Donnerstag, 26. Juli 2012

[Filmkritik] The Dark Knight Rises

  


The Dark Knight Rises
2012 / Christopher Nolan / 
mit Christian Bale, Joseph Gordon-Levitt, Anne Hathaway, Tom Hardy, Marion Cotillard,…
10/10

Enthält Spoiler zu entscheidenden Momenten des Films!

Der Filmemacher Christopher Nolan dürfte sich in den vergangenen Jahren vermutlich in einer der unbequemsten Situationen in ganz Hollywood befunden haben. Wer Nolan kennt, weiß natürlich, dass er mit dieser Rolle ganz entspannt umgehen kann, aber „The Dark Knight Rises“ ist der wohl am meist erwartete Film der letzten Jahren, mit den wohl höchsten Ansprüchen überhaupt. Selbst Peter Jackson und seine Hobbits oder James Cameron und Avatar (wann immer er sich entscheidet, endlich weiterzudrehen) dürften diese Last nicht auf ihren Schultern verspüren.

Als Nolan 2008 „The Dark Knight“ ablieferte, war es die Fortsetzung zu „Batman Begins“. Einem vergleichsweise kleinerem Comicfilm, der durch seine mutige und kompromisslose Inszenierung breiten Anklang fand, allerdings viel zu schnell – und zu Unrecht – aus dem Bewusstsein verschwunden ist. „The Dark Knight“ war die logische Fortführung dieser Theorie, und Nolan hat das Comicfilm – Genre ein für allemal auf den Kopf gestellt. Diesen Teil mit einem dritten zu übertrumpfen ist da fast schon ein Ding der Unmöglichkeit.

„The Dark Knight Rises“ spielt acht Jahre nach dem Tod von Harvey Dent und dem Verschwinden von Batman. Commissionar Gordon wacht weiterhin über eine Version von Gotham, die sich im Vergleich zu seinen Vorgängern etwas beruhigt hat. Zumindest solange, bis der Bösewicht Bane bei einer spektakulären Flucht aus der Gefangenschaft aus einem Flugzeug sein Hauptquartier in der Kanalisation der Stadt einrichtet. Kurz darauf eskaliert die Situation und Bane übernimmt die Stadt, bzw. überlässt sie den sauberen Bürgern, genauso wie den Verbrechern aus den Gefängnissen. Wer gegen die Regeln verstößt, wird vor ein Tribunal gestellt, und muss immer dem Tod in die Augen sehen. Gleichzeitig wurde eine atomare Bombe aktiviert und droht die ganze Stadt zu zerstören. Beinah die gesamte Polizei von Gotham ist in der Kanalisation eingesperrt. Nur ein kleiner Kreis von Rechtschaffenden bleibt übrig, der die Stadt zurückgewinnen muss.

Im Vergleich zu seinem Vorgänger hat Nolan bei „The Dark Knight Rises“ eine andere Erzählstruktur gewählt. Im zweiten Teil wurden wir durch einen unmittelbaren Start in die Handlung geworfen und haben uns fragmentarisch von Handlungsbogen zu Handlungsbogen durchgekämpft. In diesem Film steht das große Ganze im Mittelpunkt: Das Schicksal der Stadt Gotham. Um diesen Showdown wird die Handlung aufgebaut. Der Blick geht in die Breite, zeitweilig übernimmt die Stadt selbst die Hauptrolle. Dieses Mal wurde in Pittsburgh gedreht, ein ganz wichtiger Aspekt in der Darstellung Nolans. In keinem der drei Filme ähnelt sich Gotham. Auch wenn es immer die gleiche Stadt ist, setzt er in der Visualisierung bewusst neue Akzente. Wie wichtig dieses Vorhaben ist, wird erst im dritten Teil klar.

Eine große Diskussion eröffnete die Meldung, dass Anne Hathaway in den Catsuit schlüpfen
und eine weitere Figur im Batman – Universum darstellen würde. Die Empörung und Angst, die zu Beginn dieser Debatte weiträumig herrschte war durchaus nachvollziehbar. Schließlich wurden wir bisher bei der Darstellung von Catwoman nicht sonderlich verwöhnt; allen voran Halle Berry. Doch als hätte man es sich nicht schon denken können, findet diese Figur in diesem Universum problemlos ihren Platz. Zum einen ist es nicht direkt Catwoman, sondern die Person Selina Kay, die in der Handlung ihre Akzente setzt. Zum anderen ist die Darstellung von Catwoman ein weiterer Beweis für die Realitätsnähe, die alle drei Filme inne haben.

Ebenfalls mutig war die Entscheidung, zwei Figuren zu erfinden, die keine unwichtige Rolle im Film spielen. Marion Cotillard als tiefgründige, oberflächliche Society – Lady, die sich mit Wayne verbündet um sein Imperium zu retten, sich aber später als der eigentlich Bösewicht des Films behauptet. Der Überraschungsmoment dieser Enthüllung ist mehr als der übliche „Mindfuck“, der am Ende eines Filmes einfach alles auf den Kopf stellen soll. Liebevoll wird während der ganzen fast drei Stunden eine Hintergrundgeschichte erzählt, in der der Zuschauer Bane erkennen soll, ihn allerdings in der Menge übersieht. Cotillard’s Hintergründe sind glaubhaft, auch die Verbindung zu Liam Nesson’s Ra’s Al Ghul.

Der ganz große Star des Filmes dürfte Joseph Gordon – Levitt sein, dessen Officer Blake, später dann Detective, nicht nur mit einer größeren Leinwandpräsens als Batman überzeugen darf. Er verkörpert all das, für was die Stadt und ihre Menschen steht. Das Waisenkind, das zu dem großen Stifter Bruce Wayne aufgesehen hat, vor allen anderen wusste, dass er Batman ist, und mit seinem Platz bei der Polizei selbst in die Rolle eines Retters schlüpfen will, um Kinder, wie er es einmal war, vor dem Bösen zu schützen. Er ist es, der Batman rekrutiert, und für eine lange Spanne des Films der linke Arm von Gordon ist, der die erste Hälfte in einem Krankenbett verbringt. Auch wenn das Nolan – Universum nach diesem Film ausgedient hat, ist es dennoch gut zu wissen, dass Levitt, nachdem er seinen Dienst quittiert hat, seine Bestimmung gefunden hat.

Für den Bösewicht dieses dritten Teils hat Nolan tiefer in die Trickkiste greifen müssen. Heath Ledger‘s Darstellung des Jokers hat einen festen Platz in der Filmgeschichte verdient. Selten konnte jemand so viel Wahnsinn und Unberechenbarkeit in eine Figur legen wie er. Dennoch geht Tom Hardy’s Bane einen Schritt weiter. Im Vergleich zum Joker ist dieser Charakter durchweg im Bild, verliert aber nichts an seiner Bedrohlichkeit. Ausschlaggebend dürfte die Maske sein, durch die seine Stimme eine hallende Tiefe bekommt, und jedes gesprochene Wort wie tausend Alpträume klingt. Er scheint unschlagbar zu sein, ist Batman weit überlegen und kann so auch nicht von ihm besiegt werden.

Kein Nolan – Film ohne Musik. Ohne einen bombastischen Score, der für die gefühlte gesamte Länge des Films jede Szene unterlegt. Es ist mittlerweile zu einem Stilmittel und zu einem Kniff in der Inszenierungsweise von Nolan geworden. Doch gerade dann macht es Spaß, eben damit zu spielen. Das muss er sich gedacht haben, als er das Gespräch von Wayne und Alfred in beinah vollkommener Stille hat führen lassen. Es war ein wichtiger Moment in der Beziehung dieser Figuren, ein Bruch mit dem bisherigen Leben. Durch das bewusste Weglassen eines Scores hat er diesem Moment den richtigen Ton verliehen.

Die stärkste Eigenschaft seiner Regie ist die Bildgewalt, die auch hier nicht zu kurz kommt. Eröffnet wird der Film durch eine gigantische Entführung in der Luft, bei dem das eine Flugzeug ganz schnell ein anderes auseinandernimmt. Dabei handelt es sich dann um das Pendant des sich überschlagenden Lastwagens aus „The Dark Knight“. Auch die Szenen im Football – Stadion übertreffen alles bisher gesehene. In absoluter Stille einen kleinen Jungen die Nationalhymne singen zu lassen, um kurz darauf das gesamte Spielfeld in die Luft zu jagen, so etwas kann sich nur ein Engländer erlauben. Doch je größer die Explosion, umso bedeutungsvoller ist sie für die Story. Nichts passiert bei ihm ohne Grund. Er verbindet die visuell starken Eindrücke mit entscheidenden Momenten und Emotionen der Handlung.

Für den Schluss seiner Trilogie hat er sich etwas ganz Großes aufgehoben. Es ist nicht der Kampf des Helden gegen einen Bösewicht; es ist der Finalkampf einer ganzen Stadt um Gut und Böse. Hier geht es um mehr als ein paar Dollar Mafiageld oder um verseuchtes Trinkwasser. In „The Dark Knight Rises“ wird alles auf eine Karte gesetzt, und wir spüren, wie knapp wir von einem Inferno entfernt sind. Und auch wenn Christopher Nolan am Ende doch etwas konsequenter hätte sein können, trifft er letztendlich die richtigen Entscheidungen und lässt uns zwar mit einigen offenen Fragen und komplexen Entscheidungen zurück, doch wird dieses Kapitel hoffentlich für immer ruhen lassen, ganz einfach weil es perfekt ist.

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