The Rum
Diary
2011 / Bruce
Robinson / mit Johnny Depp, Michael Rispoli, Amber Heard, Giovanni Ribisi,…
9/10
Es müssen besondere Zeiten gewesen sein, als der damalige
Jungstar Depp für einige Zeit bei Hunter S. Thompson auf seinem Anwesen in
Woody Creek, Colorado lebte. Zunächst nur als Recherche für den Film „Angst und
Schrecken in Las Vegas“ gedacht, entwickelte sich schnell eine feste
Freundschaft. Als Depp dann im Keller von Thompson zufällig das Manuskript des
bis dahin unveröffentlichten Romans „The Rum Diary“ entdeckte, musste er nicht
mehr viel tun, um ihn von einer Veröffentlichung zu überzeugen.
Das Buch wurde ein großer Erfolg, und Depp versprach
Thompson, dass sie es gemeinsam auf die Leinwand bringen werden. Zu einer
Zusammenarbeit ist es leider nicht mehr gekommen, da sich Hunter S. Thompson
2005 das Leben nahm, aber Depp blieb dran und konnte jetzt über seine eigene
Produktionsfirma endlich den Film drehen, den er schon lange auf seinem Herzen
hatte.
Für die Geschichte eines Journalisten, der sein Glück im
Puerto Rico der 60er Jahre sucht, schlüpft Depp in die Rolle des Paul Kemp, der
nicht nur lose auf Thompson’s Erfahrungen beruhen soll, der Roman viel eher ein
Tatsachenbericht ist.
Der Film beginnt direkt in Puerto Rico und Kemp steht kurz
vor seinem ersten Arbeitstag bei der San Juan Daily News. Johnny Depp spielt
stark, beherrscht den gesamten Film. Er trifft immer den richtigen Ton und
schafft perfekt die Balance zwischen dem „fiktionalen“ Kemp und dem realen
Thompson, ähnlich genial wie schon als Raoul Duke in „Angst und Schrecken in
Las Vegas“.
Ein wichtiger Unterschied zum Roman ist das Fehlen von
Yeamon, eine der Hauptfiguren aus dem Buch. Robinson hat eine kluge
Entscheidung getroffen, die Figur aufzuteilen. Sie spielt eine viel zu große
Rolle; und hätte er sie filmisch verarbeiten wollen, hätte er quasi die gesamte
Nebenhandlung streichen müssen und die Geschichte von Kemp und Yeamon alleine
erzählen müssen. So tritt die Figur des Sanderson stärker in den Vordergrund
und vereint seine Romanfigur sowie die von Yeamon. Aber auch andere bekommen
ein Stück von ihm ab. So wie zum Bespiel Sala’s Provokationen in einer kleinen
Bar am Straßenrand. Ein Verhalten, dass man von ihm im Roman nie erwartet
hätte. Es scheint so, als würde der Geist von Yeamon über allen schweben.
Sowieso gibt es gute Leistungen von allen Mitgliedern aus
dem Cast. Amber Heard verkörpert Chanell, die nach anfänglichem Zögern doch
noch sehr nah am Roman stattfindet. Doch vor allem das Zusammenspiel von Kemp,
Sala und Moberg ist wahnsinnig unterhaltsam, auch wenn Ribisi es als Moberg an
einigen Stellen ein klein wenig übertreibt.
Robinson sah sich mit den typischen Problemen der
Literaturverfilmung konfrontiert. Wie soll er alles in einen zweistündigen Film
reinpacken? Er hat bei der Entwicklung des Drehbuchs viele kluge Entscheidungen
getroffen. Einige Sachen hat er einfach herausgenommen. Doch ebenso viele neue
Ideen in die Welt von Thompson eingepflanzt, die alle auf Anhieb funktionieren.
Am Ende fehlt der nötige Drang. Der Film hätte noch einen
Schritt weiter gehen können, doch gelingt Robinson eine wunderbare Schlussszene
und ein rundum gelungener Abschluss. Eine Schlusskarte erinnert an Hunter S.
Thompson, für den an jedem Drehtag am Set ein eigener Stuhl und eine Flasche
Whisky stand. Depp hat Ambitionen, auch weitere seiner Bücher zu verfilmen.
Hoffentlich macht er es.
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