Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 19. September 2011

Filmkritik: Shanghai

 
Shanghai
3.5/5

Unter normalen Umständen hätte ich mir „Shanghai“ vermutlich niemals angesehen. Die ganze Aufmachung wirkt durchaus ansprechend, aber ich habe noch viele Filme dieser Machart auf meiner Liste stehen, die einen gewissen Vorzug genießen, sie vorab zu sehen. Warum dieser Film dann aber sofort von ganz unten auf den ersten Platz der „Must-See’s“ geschossen ist, liegt einzig und allein an der Anwesenheit von John Cusack.
Für mich funktioniert John Cusack wie eine cineastische Droge. Vermutlich können es die wenigsten nachvollziehen, auch ich habe diesen Zustand der Bewunderung noch nicht entschlüsseln können, aber ich schätze es ist einer dieser magischen Momente, von denen man immer spricht, wenn man vom Kino spricht.
Er könnte auch die Hauptrolle in der Verfilmung des Telefonbuches spielen, Bezirk Köln-Porz, und mir würde es schwer fallen zu wiederstehen.

Cusack spielt also einen als Journalisten getarnten Spion, der in einem emotionalen Fall den Mord an seinem Freund in Shanghai aufklären muss. Wie es eben ist, 1941, politisch hoch brisante Zeiten, dient die einfache Columbo – Methode nicht aus. Er muss sich in zwielichtigen Etablissement rumtreiben, gerät viel zu oft an die falschen Typen und verliebt sich zu guter letzt auch noch in die falsche Frau. Er jagt durch die neonfarbenen Straße. Informanten, Morde, Attentate, Korruption, Spionage. Immer die Frage, wem kann er trauen, wer spielt ein falsches Spiel. Unterstrichen durch die Erzählstimme Cusacks, der das Geschehen sachlich beäugt.

Bis auf die letzte Rolle weist der Film eine ordentliche Besetzung vor. Allen voran die zwei Größen des modernen asiatischen Kinos (vermutlich nur in Europa wahre Größen) in einem Film vereint: Ken Watanabe und Chow Yun – Fat. Sie spielen nach ihren Regeln, bis zum Schluss sind ihre Motive nicht ersichtlich.

Sowieso wirkte der Film, als hätte er zu viele Geschichten, die er erzählen möchte. Nach einem überaus gelungenem Beginn und einer positiven Zwischenbilanz zur Halbzeit, zieht der Film gegen Ende noch einmal das Tempo an. Leider nicht ohne Verluste. Vieles wirkt nicht nachvollziehbar, große Handlungsstränge werden binnen Sekunden abrupt abgeschlossen, ein großer Teil des Endes wird durch die Erzählstimme berichtet.

Allem voran ist „Shanghai“ aber ein Film fürs Auge. Eine vermeidlich kleine Produktion, die durch eine wahnsinnige Kulisse besticht. Bis ins kleinste Detail wurde die Stadt und ihr Aussehen in den 40er Jahren nachgebaut. Ob es kleine Nebengassen, pompöse Gebäude oder minimalistische Requisiten sind, hier wurde eine Vision im wahrsten Sinne des Wortes ausgelebt.

Ein großes Manko, zumindest für die deutsche Fassung, ist die falsche Synchronstimme von John Cusack. Über Jahre perfektioniert von Stimmenroutinier Andreas Fröhlich, war es anscheinend nicht möglich, diese Kontinuität fortzusetzen. Ein kleiner Wehmutstropfen, bedenkt man wie sehr Synchronsprecher und andere Mitarbeiter dieses Zweiges um ihre Anerkennung als individuelle Künstler kämpfen, kann man so etwas nicht als kleinen Fauxpas abtun. Etwas fehlte.

Cusack spielt solide, kann sich aber nicht so fantastisch entfalten wie in „Zimmer 1408“, einer früheren Zusammenarbeit mit „Shanghai“ – Regisseur Mikael Hafström. Zur Verteidigung aber hatte er es in dem früheren Werk mit einem klassischen Kammerspiel zu tun, wohingegen er hier neben Darstellern wie Watanabe oder auch Gong Li brillieren darf.

Trotz kleinerer Mängel ist „Shanghai“ ein überaus sehenswerter Film, der im Bewusstsein des amerikanischen Kinogängers noch eher ein Phantom darstellt. Ob man bei den renommierten Filmkritikern oder bei Rottentomatoes nachschaut, der Film erfuhr noch keine Bewertung. Wie es scheint, gibt es auch noch keinen Kinostart für die US – Kinos, in Aussicht steht auch nichts konkretes. Zumindest einen limitierten Kinostart hätte der Film verdient.

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