Jochen Rathmann's Bücher

Montag, 21. Mai 2012

[Filmkritik] Dark Shadows


Man kann den beiden ja viel vorwerfen, ein weiteres seelenloses Stück Filmprojekt anlässlich des Vampir – Hypes haben Tim Burton und Johnny Depp mit „Dark Shadows“ aber gewiss nicht vorgelegt. Basierend auf einer amerikanischen Seifenoper aus den 60ern, die in Deutschland weitesgehend unbekannt sein dürfte, hegten sie schon dann den Plan einer Leinwandadaption, als die Edwards und Jacobs dieser Welt noch stumme Geister im Kopf einer Hausfrau aus Hartford waren.

Um ganz genau zu sein ist „Dark Shadows“ auch als Gegenpol dieser neuartigen „Paranormal Teenage Romance“ – Bewegung zu sehen. In dieser Gesellschaft, Neuengland der 70er Jahre, sind Vampire nach wie vor verpönt. Dauerbekiffte Jugendliche – hier grandios: Chloe Grace Moretz – lassen sich von niemandem etwas sagen, außer den Stimmen ihrer Generation: Alice Cooper, Iggy Pop,... Die Familie Collins – oder das, was noch von ihnen übrig ist – lebt in einem riesigen Anwesen außerhalb der Stadt und bedauert den Verlust ihres Fischereimonopols. Vorfahre und Vampir Barnabs wird aufgrund der Bauarbeiten eines bekannten Fast Food – Restaurants nach 196 Jahren aus einem Sarg befreit und nimmt sich der miserablen wirtschaftlichen Situation seiner Familie an.

Tim Burton komponiert in seiner 15. Spielfilmregiearbeit die Härte eines Sweeney Todds mit der spielerischen Kreativität aus Charlies Schokoladenfabrik. Das Prädikat „Familienfreundliche Unterhaltung“ wird stellenweise auf eine harte Probe gestellt. Möchte man nur mal an die armen Hippies denken... Er spielt mit der Kompromisslosigkeit des Vampir – Genres, überzeichnet allerdings die Fakten und macht letztendlich das, wofür man seine Filmen schätzt und liebt: Er macht aus allem einen echten Burton! Liter um Liter Blut, die gar nicht so aussehen wie Blut. Eine von Burton bislang unbekannte Obszönität, die sich ebenfalls von allem bekannten abhebt.

Doch die wohl stärkste Leistung dieser Arbeit ist die Synthese aus Film und Musik. Und damit ist nicht etwa der wieder einmal fabelhafte Score von Danny Elfman gemeint, sondern die Auswahl und Platzierung der Songs. Eine mainstreamigen Kombination von Klassikern aus den 70ern, die natürlich dem Zuschauer den Zugang zu dieser Epoche vereinfachen soll. Doch Burton hat so viel mehr erreicht. Die Songs entwickeln einen ganz eigenen Erzählrhythmus. Wie in einem perfekten Musikvideo scheint es, als hätte er die Szenen für die Musik gedreht. Er beweist Mut, wenn sich die Familie zu langen Gesprächen am Esstisch einfindet. Doch achtet man auf den Hintergrund, tanzt dort Chloe Moretz zu den Klängen von T. Rex. In dieser Welt gibt es viel zu entdecken, eine weiter Sichtung Pflicht!

Die größte Entdeckung des Films ist Bella Heathcote. Sie ist das neue Kindermädchen im Hause Collins und gerade erst nach Neuengland gekommen. Auch hier zeichnet sich ein typisches Stilmittel Burtons ab. Auch wenn die Werbefigur Depp am Größten auf den Plakaten hervorragt, so ist er es, der meist in der Handlung hinten anstehen muss. Heathcotes Charakters ist es nämlich, der die Rahmenhandlung von „Dark Shadows“ darstellt. Durch ihre Augen sehen wir die Stadt zum ersten Mal. Sie ist es, die alle Handlungsstränge zusammenführt und ein dunkles Geheimnis in sich trägt. Ein bezauberndes neues Gesicht auf der Leinwand, von dem man in naher Zukunft mehr sehen möchte.

Der Cast insgesamt lebt von seinem vielschichtigen Talent. Ob Helena Bonham Carter, die als Psychologin Dr. Julia Hoffman den Sidekick mimt; Eva Green, die als Hexe alles in ihrer Macht stehende unternimmt, die Familie Collins zu zerstören; Jackie Earle Haley als trotteliger Butlerverschnitt; aber allen voran Chloe Grace Moretz, die in ihren jungen Jahren eine weitere perfekte Arbeit in ihr Portfolio eintragen darf.

Johnny Depp und Tim Burton gelten nicht umsonst als Traumduo. Auch wenn Vergleichsmöglichkeiten mit dem originalen Barnabas Collins fehlen, haucht Depp dieser toten Figur eine lebhafte und verspielte Seele ein. Im Moment scheint es, als könnte er jede Rolle spielen. Keinen unerheblichen Teil spielt aber auch das Drehbuch von Seth Grahame – Smith, der einen gelungenen Einstand auf der großen Leinwand feiern darf.

9/10

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